Impressionen der Uraufführung am 21.3.2023

Hinter den Kulissen einer Historical-Produktion von Gaby dos Santos
– von der Idee bis zur Uraufführung –
dargestellt am Beispiel von Nächster Halt Auschwitz!

Stunde Null: Im November 2022 erwähnte Alexander DiepoldGeschäftsführer von Madhouse München, dem Familienberatungs- und Kulturzentrum für Sinti und Roma in München, dass sich am 13. März 2023 die Deportation der Münchner Sinti nach Auschwitz zum 80. Mal jähren würde. Eine eigene Veranstaltung dazu stünde an.

Ich schlug vor, zu diesem Jahrestag eines meiner maßgeschneiderten Historicals zu produzieren, in denen ich Bild- und Ton-Projektionen zu Textvortrag und Livemusik kombiniere, genau abgestimmt auf den bevorstehenden Anlass.


BILDBEISPIEL:
Geiger Sunny Franz spielt die Ouvertüre des Historicals Nächster Halt Auschwitz! zur Projektion der ersten Bildcollage von Gaby dos Santos


Eine Idee nimmt Konturen an:

Alexander Diepold gefiel die Idee, daher leitete er sie umgehend an das Polizeipräsidium München/Abteilung „Prävention“ weiter, wo man schon länger Kooperationen mit den Münchner Sinti und Roma, als gegenseitig vertrauensbildende Maßnahme anstrebt (s.a. > Link) Anfang Dezember 2022 fand das erste gemeinsame Brainstorming statt:

Gaby dos Santos zwischen Kriminalkommissar Harald Frießner und Kriminalhauptmeisterin Bianca Küper, Abteilung Kriminalprävention, rechts Alexander Diepold, Leiter des Kultur- und Beratungszentrums für Sinti und Roma in München, MADHOUSE

Man wurde sich schnell einig und konnte auch die Fachstelle für Demokratie und das Kulturreferat finanziell für das Projekt gewinnen.

Dennoch war ab jetzt Flexibilität gefragt, denn die Chronik einer Produktion in der sogenannten Freien Theaterszene ist immer auch die Geschichte eines zwangsläufigen Aneinanderreihen von Flexibilitäten. Für Netz und Doppelten Boden fehlen bei solcherart Produktionen oft schlichtweg die finanziellen Mittel.

Spitzwegs „Armer Poet“2.0, Meine Adatpion des Kunstklassikers alTitelmotiv zu
Vom Kreativ-Wirtschaften in der vogelfreien Künstlerszene

Diese Einschränkung wiederum birgt auch Chancen, denn sie zwingt zu gesteigerter Kreativität😉😏

In diesem Fall führte sie dazu, dass die Auswahl des Musikrepertoires via Video-Call stattfinden musste, weil Geiger Sunny in Mannheim wohnt und für Hin- und Herfahrten weder zeitlich noch pekuniär viel an Ressourcen vorhanden war … Also sang und spielte man einander die in Frage kommenden Stücke via Bildschirm vor, Sänger, Geiger und Gitarrist Sandor Lehmann und ich von Alexander Diepolds Büro-Computer aus, Geiger Sunny Franz von daheim im Baden-Württembergischen, siehe nachstehende Fotos.

V.l.: Geiger Sunny Franz via Video-Call, Gaby dos Santos, Gitarrist/Sänger Sandor Lehmann

Lustig war’s trotzdem und die Session auch schnell beendet, der Tatsache geschuldet, dass Sinti-Musiker Kunstfertigkeit und Repertoire-Kenntnisse bereits in die Wiege gelegt bekommen.

Zum Glück, denn bei diesem Verfahren ließ es sich nur nach Bauchgefühl vorgehen, das ich intensiv einsetzte, während ich mein Skript durchging und versuchte, mir das Zusammenwirken von Texten und Bildcollagen mit den mir vorgeschlagenen Musikstücken vorzustellen.

Unglaublich, dass die selben Stücke, die Alexander Diepold während meines Auswahlverfahrens nüchtern auf Zetteln notierte, bei der Aufführung das Publikum regelrecht verzauberten – mich eingeschlossen …


Für den Multimedia-Teil Tonaufnahme und Fotosession:

Zwar hat Peter Lang sein ebenso gemütliches wie effizientes > „Artist Studio“ im UG des Münchner Künstlerhauses aufgegeben, wo alle unsere Historicals bislang produziert wurden, daher musste diesmal die gemütliche Wohnung des Musikers und Ton-Ingenieurs für Sprachaufnamen mit Wesley Höllenreiner herhalten. Wesley liest in der Produktion die Zitate seines Urgroßvaters Hugo Höllenreiner als kleiner Junge, aus der Biografie von Anja Tuckermann: „Denk nicht wir bleiben hier“. Anschließend ging es für den Elfjährigen gleich weiter zur Fotosession vor und im Polizeipräsidium Ettstraße, wo er genau an jener Stelle posierte, von der aus sein Urgroßvater einst deportiert worden war.

Ein bewegender Moment für mich, gepaart mit einem feinen Triumpfgefühl, dass es den Nazis trotz allem nicht gelungen ist, die Familie Höllenreiner auszulöschen!

Da das Münchner Polizeipräsidium in der Ettstraße in allen drei Teilen meiner geplanten Sinti & Roma Trilogie eine Rolle spielt, jedoch kaum noch Archivmaterial, insbesondere lnicht aus der NS-Zeit, vorhanden ist, musste neues Bildmaterial generiert werden, als Grundlage für die projizierten Bildcollagen. Außerdem wurden Pressefotos des Ensembles benötigt. Dafür buchten wir Fotograf Sigi Müller, auch bekannt als Münchner Stadtspaziergänger, mit wöchentlicher Kolumne in der AZ.

Mehr dazu im GdS-Blogbeitrag:
Auf Zeitstreife durch das Münchner Polizeipräsidium“ > LINK

Foto: Fotograf und AZ-Stadtspaziergänger Sigi Müller vor dem Polizeipräsidium in der Ettstr.
mit Wesley und dessen Mutter Laura Höllenreiner

Erster – und einzig möglicher – Probendurchlauf mit dem gesamten Ensemble

Am Vormittag der Uraufführung traf das gesamte Ensemble erstmals zusammen, nachdem sich Musiker und SchauspielerInnen zuvor paarweise vorbereitet hatten. Für mich stellt dieser Moment der Wahrheit immer eine Zitterpartie dar, denn erst dann zeigt sich, ob die von mir zusammengestellten Musik-, Text und Bild-Elemente wirklich homogen ineinandergreifen. Ansonsten würde das Stück sofort ins Stocken geraten und sich ein Gefühl von Langatmigkeit einstellen.

Obere Reihe: Alexander DiepoldGeschäftsführer von Madhouse München
Sandor Lehmann (Gitarre, Gesang) und Erwin Krause (Gitarre) unter einem Bild der Roma-Künstlerin Ceija Stojka, Schauspielerin Marion Niederländer – Unten: Schauspieler Alexander Adler und die angespannte Gaby dos Santos

Nach dem Durchlauf stellte sich Erleichterung ein: Das Stück schien gut zu „fließen“ und die Zusammenstellung der Musiker erwies sich als ausgesprochener Glücksfall: Die vier ergänzten sich wunderbar, gerade weil sie aus verschiedenen Generationen stammten. Ab da fand ich mich für den Rest des Tages in einen wunderbaren Soundtrack eingelullt, denn nicht nur jede Probenminute sondern auch jede freie Minute wurde zum Musizieren genutzt, was mich in einen Zustand absoluter Entspannung versetzte: Keinerlei Lampenfieber mehr, die Ängste der letzten Wochen und Tage, meiner Aufgabe nicht gerecht zu werden, wie weggeblasen! Allerdings ließ mich das Ausbleiben des Adrenalins nun auch fühlen, wie erschöpft ich war: 10 bis 12 Stundenschichten am Bildschirm, so gut wie täglich, über Wochen, unter enormer Anspannung und Selbstzweifeln; dieses Pensum forderte jetzt Tribut … Worauf sich bei mir dann doch noch ein Moment der Panik einstellte, angesichts der Vorstellung, in nur wenigen Stunden so vielen lieben Menschen beim Einlass als Co.-Gastgeberin gegenüber treten und strahlen zu müssen, ohne zu wissen, woher noch die Kraft nehmen …


Der Soundcheck:


Oben rechts: Die SchauspielelerInnen Marion Niederländer und Alexander Adler beim Soundcheck
Die Ruhe vor dem Sturm genießen Schauspieler Alexander Adler und Geiger Sunny Franz im noch leeren Festsaal des Alten Rathauses in München, das aus dem 15 Jahrhundert stammt

Der Multimedia-Teil meiner mit einer XML-Anwendung montierten Show ist zu sehen, bzw. vorerst noch meine Programmierung!

Für mich immer wieder eine Feuerprobe, weil ich wiederholt erleben musste, wie Techniker vor Ort meine Bild-/Ton-Einblendungen nicht – oder nur mit Schwierigkeiten zum Laufen brachten. Insbesondere gestandene Techniker, die zwar jahrelange Bühnenerfahrung mitbrachten, sich aber mit den neuen Multimedia-Verfahren schwerer taten, als so manche PraktikantInnen 😉


Countdown im Foyer

Schauspieler Alexander Adler und rechts Kriminalhauptmeisterin Bianca Küper, Abteilung Kriminalprävention

Oben links: Uta Horstmann ist tief in der Sinti-Community verwurzelt, hier mit Johann „Hansi“ Rottegger
Oben rechts: Alt-OB Christian Ude und SPD-Politiker Marian Offman
Unten: Hugo Wesley Hugo Höllenreiner (der für das Historical Kindheitspassagen aus der Biografie seines Urgroßvaters Hugo Höllenreiner eingelesen hat), mit Gaby dos Santos und Marie Theres Relin


V.l. Angelica Fell Geschäftsführende Leiterin der inklusiven Freien Bühne München, Marie Theres Relin (Schauspielerin, Autorin, Kulturaktivistin) mit ihren beiden Kindern, dahinter Dr. Ulrich Schäfert, Leiter des Kunstpastorals der Erzdiözese München-Freising


Die Reden

Der Stunde der ultimativen Wahrheit, sprich „der Show“, gehen bei solchen offiziellen Kulturanlässen noch einige Reden voraus …

Rede des Münchner Polizeipräsidenten Thomas Hampel



Rede von Alexander Diepold, Geschäftsführer von Madhouse München, dem Familienberatungs- und Kulturzentrum für Sinti & Roma


Die Stunde der Wahrheit …

Momente der Uraufführung:
Livemusik bildet einen wesentlichen Teil der Produktion, das Ensemble besteht ausschließlich aus Sinti-Musikern, O.v.l.: Sunny Franz, Sascha Reinhardt und der intensive Sandor Lehmann
Unten links: Bildcollagen von Gaby dos Santos begleiten die Handlung, übermitteln Informationen ebenso wie Stimmungen
Unten rechts: Standing Ovations beim Schlussapplaus, vorwiegend der zutiefst berührenden Performance von Sänger und Gitarrist Sandor Lehmann geschuldet


Epilog …

Uta Horstmann und mir war es sehr wichtig, die Gäste nach der inhaltlich gehaltvollen und aufwühlenden Show nicht gleich nach Hause zu entlassen, sondern den Abend mit Gesprächen ausklingen zu lassen. Alexander Diepold erklärte sich bereit, nach der Show, im Namen von MADHOUSE München, einen Empfang auszurichten.

V.l. im Uhrzeigersinn: Alexander DiepoldGeschäftsführer von Madhouse München mit Alt-OB Christian Ude und Sinto-Zeitzeuge Hugo Höllenreiner
Oben rechts: Sinto-Sänger und Gitarrist Sandor Lehmann, den TV-Schauspielerin Ilona Grübel (aktuell SOKO München) unbedingt nach seiner intensiven Performance persönlich kennenlernen wollte
Unten rechts bin ich mit meiner Jugendfreundin, Irina Reylander (Coach, Autorin und Youtuberin) zu sehen, die extra aus meiner alten Heimat Italien anreiste

Marianne Wille ist nicht nur, als Matriarchin des traditionsreichen Münchner Dallmayr Clans nicht nur Geschäftsfrau und Society Lady sondern auch Kolumnistin der TZ und hielt unsere Uraufführung in einem liebenswerten Beitrag fest (s. Spalte rechts).

Dass sie mit ihrem überprallen Terminkalender überhaupt Zeit gefunden hatte, respektive sie sich genommen hatte, die Aufführung anzusehen, überraschte und rührte mich gleichermaßen.


Die VeranstalterInnen in München:

Eine gemeinschaftliche Aktion von
MADHOUSE München, Beratungs-und Kulturzentrum für Sinti und Roma
und dem Polizeipräsidium München, in Zusammenarbeit mit
Münchner Blaulicht e.V., Polizeiverein für Prävention und Bürgerbegegnungen
sowie der Fachstelle für Demokratie
und mit freundlicher Unterstützung durch das Kulturreferat der LH München

Nächster Halt Auschwitz!
ist Teil 1 der Trilogie
Sinti & Roma – Elegien einer deutschen Minderheit


Nach der Show ist vor der Show….

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13.12.2023 – BERLIN


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