Auf Zeitstreife durch das Münchner Polizeipräsidium in der Ettstraße: Fotoshooting mit Sigi Müller, außerdem Tonaufnahmen und Meetings für das Historical „Nächster Halt Auschwitz!“

Hinter Gitter und auf die Spuren der Vergangenheit hat mich das Fotoshooting mit Fotograf und AZ-Stadtspaziergänger Sigi Müller geführt (s.a. Titelfoto), gemeinsam mit einer Gruppe Münchner Sinti, die alle beim > Historical > Nächster Halt Auschwitz mitwirken. Das untere Foto zeigt den bekannten Münchner Fotografen vor dem Münchner Polizeipräsidium in der Ettstrasse, neben ihm Wesley und Laura, Mitglieder der weit verzweigten Sinti-Familie Höllenreiner.

Hier in die Ettstraße wurden die meisten Münchner Sinti in einer Verhaftungswelle im März 1943 verbracht, bevor man sie am 13.3.1943 nach Auschwitz-Birkenau deportierte. Vor dem selben Gebäude und später im Innenhof, wie einst der damals erst 9jährige Hugo Höllenreiner, stand jetzt sein Urenkel Wesley Hugo Höllenreiner … für mich eine surreal anmutende Situation:


Bei dem Fotoshooting ging es auch darum, bauliche Details einzufangen, die mir später als Elemente oder Hintergrund für die Bildcollagen der Produktion dienen werden. Betrachtet man nachstehende Fotostrecke von Sigi Müller bekommt man eine Ahnung der bedrückenden Atmosphäre, die im Innenhof und erst recht im Hafttrakt des Gebäudes herrscht. Hier mag man wirklich nicht eingeliefert werden! Wie müssen sich da erst die inhaftierten Sinti 1943 gefühlt haben, fünf lange Tage in Sammelzellen zusammengepfercht und ohne jede Kenntnis darüber, was weiter mit ihnen geschehen würde!


Extra einige Stunden ihres Samstags hatte uns Polizeikommissarin Alessa Quintes, von der Pressestelle des Polizeipräsidiums gewidmet, auf dem nachstehenden Foto zwischen mir und und meiner langjährigen guten Freundin, der Sinteza Ramona Sendlinger.

📌RAMONA SENDLINGER ist übrigens am Montag, 27.2./23.30h als Zeitzeugin in einem Beitrag von Moderatorin Özlem Sarikaya und Regisseur Andreas Krieger im interkulturellen Magazin PUZZLE im Bayerischen Rundfunk zu sehen oder ab sofort via

LINK > https://bit.ly/3m4L7jD

Moderatorin Özlem Sarikaya im PUZZLE-Interview mit Alexander Diepold und Ramona Sendlinger

🎭Seinen Menschen eine Stimme verleihen wird in meinem Historical der Sinto-Schulmediator und gelernte Schauspieler Alexander Adler, den übrigens ein ganz außergewöhnlicher Werdegang auszeichnet.


Auch Alexanders Vater, der Sinto Musiker Sandor Lehmann wirkt im Liveteil von Nächster Halt Auschwitz mit. Auf nachstehendem Foto steht er mit Ramona Sendlinger auf jener schicksalhaften Treppe, über die im März 1943 die Münchner Sinti ihren Leidensweg antraten. Leid, Vertreibung und große Empathie symbolisieren in meiner Produktion die immer wiederkehrenden Elemente „Koffer“ und „Rose“, die Sigi Müller im Innenhof der Ettstraße in Szene gesetzt hat.

Nachstehendes Foto vor dem Polizeipräsidium ist eines der Pressefotos in Spe und zeigt von links: Wesley Höllenreiner, der Textfragmenten seines Urgroßvaters Hugo die Stimme leiht, seine Mutter und Zeitzeugin Laura Höllenreiner, Zeitzeugin Ramona Sendlinger, Musiker Sandor Lehmann und Schauspieler/Sprecher Alexander Adler.


Kein Besuch in der Ettstraße ohne Zwischenstopp am legendären Paternoster, der allerdings am Wochenende frei hat …


Dem Fotoshooting waren bereits Tonaufnahmen am Vormittag vorausgegangen: Sieht nach reichlich chillen aus, war aber zunächst einmal konzentriertes Arbeiten, um Wesley Höllenreiner aufzunehmen, der Texte seines Urgroßvater Hugo Höllenreiner einlas, ein prominenter Holocaust Überlebender, Sinto und Zeitzeuge. Dabei überraschte mich, wie es dem Jungen aus dem Stand gelang, die Zeilen des Urgroßvaters gefühlsmäßig zu beleben.

Irgendwann wollte Wesley wissen, warum ich ihn denn nichts vom Finale des Skripts zu lesen übertragen hätte. Ich erklärte, die Reminiszenzen Hugo Höllenreiners  wären mir zu brutal für einen so jungen Sprecher erschienen. Daraufhin meinte Wesleys Mutter, das hätte ihrem Sohn nichts ausgemacht denn: Unsere Kinder wachsen ja mit diesen Geschichten auf!

Als wunderbares Déjà vu empfand ich diese erneute Zusammenarbeit mit dem Musiker und Tontechniker Peter Lang, in dessen Artist Studio bislang die meisten meiner Historicals produziert worden waren. Das Studio in den Katakomben des Münchner Künstlerhauses ist zwar bedauerlicherweise seit 2021 Geschichte, aber Peters urgemütliche Wohnung eignete sich ebenso gut, um die Zeitzeugnisse Hugo Höllenreiners mit der Stimme seines Urenkels aufzunehmen.

Spaß bei der Arbeit: Von links Wesley und Laura Höllenreiner, rechts Peter Lang und im Hintergrund dessen Frau Heidi

Was uns Hugo Höllenreiner aus der Erlebnisperspektive eines Kindes in der preisgekrönten Biografie von Anja Tuckermann „Glaub nicht, wir bleiben hier!“ schildert, hatte mich tief erschüttert. Und nun saß ich irgendwann mit seinen Nachkommen beim Mittagessen und sichtete Familienfotos auf Laura Höllenreiners Handy. Wie schön mit eigenen Augen zu sehen, dass Josef Mengeles Versuch, den kleinen Hugo – übrigens ohne Narkose – zwangszusterilisieren so gründlich fehlgeschlagen ist!

Hugo Höllenreiner kurz Mitte der 1940er Jahre und um 2005

Dass ich nun mit Hugo Höllenreiners Enkelin und Urenkel einen ganzen Tag unterwegs sein durfte, empfand ich als ein Triumph des Lebens über die Abgründe der NS-Diktatur!


Mit den Vorbereitungen begonnen hatten Projektleiter Alexander Diepold und ich bereits im Dezember 2022, mit einem Brainstorming im Polizeipräsidium.

Gaby dos Santos zwischen Kriminalkommissar Harald Frießner und Kriminalhauptmeisterin Bianca Küper, Abteilung Kriminalprävention, rechts Alexander Diepold, Leiter des Kultur- und Beratungszentrums für Sinti und Roma in München, MADHOUSE

Mit der Polizei München steht Alexander Diepold schon länger in Kontakt, seit einer Studie der LMU: Diese hatte ergeben, dass die meisten rassistischen Übergriffe gegenüber einer Minderheit den Sinti und Roma gelten, von ihnen aber am seltensten Anzeige erstattet würde. Der Grund hierfür liegt an einem tief verwurzelten Misstrauen der Sinti und Roma gegenüber der Polizei einerseits und noch immer bestehenden Vorurteilen der Polizei gegenüber den Sinti und Roma andererseits. Das positive Ergebnis dieser an sich deprimierenden Studie sind ein inzwischen regelmäßig stattfindender Dialog, Schulungsmaßnahmen und weitere Veranstaltungen!

In diesem Kontext steht auch die Produktion und Aufführung von Nächster Halt Auschwitz am 21. März 2023, um 19.30h, im Alten Rathaus/Festsaal, Marienplatz 15





„Nächster Halt Auschwitz!“ ist Teil 1 der Trilogie
„Sinti & Roma
: Elegien einer deutschen Minderheit“




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Veröffentlicht von Gaby dos Santos

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