Maria Farantouri – Die Stimme Griechenlands und des politischen Widerstands – frenetisch gefeiert in der Isarphilharmonie! Erläuterungen zum Konzert und weiterführende Links
Mikis Theodorakis nannte sie eine „Priesterin“ wegen der fast sakralen Art, mit der sie die weibliche Solostimme in vielen seiner Oratorien und Liederzyklen gesungen hat.
Dem stimmten und stimmen im Verlauf der nunmehr knapp 60jährigen Karriere der Sängerin (geboren 1947 in Athen) viele weitere renommierte Stimmen weltweit zu:
„Ihre einzigartige Stimme ist ein Geschenk der olympischen Götter.“
So stelle ich mir die Göttin Hera vor. Ich entsinne mich keines anderen Künstlers, der mir in solch einem Maße das Gefühl des Göttlichen vermittelt hätte.“
Maria ist für mich Griechenland … Diese Äußerung Francois Mitterands spricht auch mir aus der Seele und offensichtlich auch den Griechinnen und Griechen, die gestern Abend in die fast ausverkaufte Isarphilharmonie geströmt waren, um ihr Idol zu feiern. Für mich war es sogar das erste Mal, dass ich die Sängerin live erlebte und doch empfand ich sie als einen wohlvertrauten Teil meiner eigenen Biografie, da ich Ende der 1970er Jahre eine kurze Zeit in Griechenland gelebt habe.
Dort hingezogen hatte es mich nicht zuletzt wegen der bestechenden griechischen Musik, die eine ganz eigene Stilistik aufweist und stark durch eine Art Laute geprägt ist, dem Bouzouki.
Innerhalb des Genres nimmt wiederum Mikis Theodorakis als Komponist eine Vorrangstellung ein und Maria Farantouri gilt als DIE Interpretin seiner Stücke, seit er sie 1963, als 16jährige, entdeckte.
1967 verließ sie nach dem Militärputsch Griechenland, um bis 1974 in Hunderten von Konzerten auf der ganzen Welt gegen die Obristendiktatur ihre einzigartige Stimme zu erheben und zugleich die Musik ihres Mentors lebendig zu halten.
Auf ihrer >Homepage schildert sie, wie dieser sie auch aus der Gefangenschaft heraus mit neuen Kompositionen versorgte. Diese Werke verbreitete Maria international und wurde so zu einem Symbol des politischen Widerstands gegen das Obristenregime.
Dieses politische Engagement haben die Griechen Maria Farantouri nie vergessen, was erklärt, warum bei einigen Liedern des gestrigen Konzerts besonders lauter Beifall aufbrauste; vermutlich Erinnerungen an gemeinsam durchlebte, stürmische Zeiten, fest verankert im kollektiven Gedächtnis der Griechinnen und Griechen, denn …
… die Werke Theodorakis stehen in enger Verbindung mit den politischen Verwicklungen des 20sten Jahrhunderts, insbesondere der 1960er bis 1980er Jahre, in denen Farantouri und Theodorakis tragende Rollen spielten, als künstlerische Ausnahmeerscheinungen ebenso, wie als politische Persönlichkeiten, nicht zuletzt auch im Austausch mit prominenten ZeitgenossInnen.
Insbesondere die Freundschaft mit Pablo Neruda, dessen Canto General Theodorakis in Teilen vertonte und Maria Farantouri in ihr Repertoire aufnahm, zählt zu den bemerkenswertesten Kapiteln der jüngeren Kulturgeschichte > MEHR
Insofern hätte ich gerne zumindest zu den bedeutendsten Liedern des gestrigen Konzerts einige Worte der Erläuterung vernommen, um mich nicht nur intuitiv sondern auch geistig auf die Darbietungen einzulassen. Zwar sollte ein künstlerisches Werk prinzipiell für sich selbst stehen und das tun die bewegenden Musiken von Theodorakis und die Bühnenpräsenz einer Maria Farantouri zur Genüge. NUR beinhalten viele der Lieder historische, politische sowie zutiefst menschliche Botschaften, die um Diktatur, politischen Widerstand und den unbedingten Willen nach Freiheit kreisen, Verbrechen anprangern oder auch in Zeiten der Not Hoffnung spenden möchten … Bedeutsame Aspekte, für die ich mir eine deutsche Anmoderation gewünscht hätte, zumal meine Griechisch-Kenntnisse fast vergessen sind.
Maria Farantouri Copyright: Marios Theologis Copyright
Dieser Mini-Mini-Mini-Einwand meinerseits zeigt aber auch, wie positiv selbstvergessen die Künstlerin bis heute ist. Sie will singen – und das mit aller Inbrunst. Punkt! Daher wird ihr das obige Pressefoto, obgleich durchaus schmeichelhaft, nicht wirklich gerecht, denn wenn jemand NICHT für Schminktöpfe und Fön-Frisur, große Posen und Allüren steht, dann diese Frau, die sich in den Jahrzehnten, in denen ich ihre Karriere verfolge, ihre warmherzige, bescheidene Art bewahrt hat, obwohl sie längst internationalen Star-Status besitzt und in den renommiertesten Konzerthäusern der Welt ein und ausgeht, siehe nachstehendes Foto von 2018.
Nach dem Tod des Komponisten im September 2021, wird bei ihren Konzerten erfahrbar, dass Theodorakis’ Musik nichts von ihrer Magie verloren hat. Wenn Maria singt, ist der Komponist anwesend
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Maria Farantouri & Mikis Theodorakis, Carnegie Hall, 18.5.2018, Greek Reporter
Maria Farantouris Stimme ist legendär. Eine solche Besonderheit findet man nur selten auf europäischen Konzertbühnen: unverwechselbar, voluminös, kraftvoll, sensibel, jedes Mal ein Ereignis. Mühelos erreicht Maria Farantouri das Publikum in einem großen Konzertsaal oder in einer Open Air Arena; sie ist die warmherzige, engagierte Sängerin, als die sie weltberühmt wurde und zahllose Menschen begeisterte. Bis heute erreicht sie die Herzen.
Beim Konzert in der Isarphilharmonie singt Maria Farantouri Lieder aus allen Schaffensphasen von Mikis Theodorakis – unter anderem auch aus dem berühmten „Mauthausen“-Zyklus.
Ankündigungstext zum Konzert am 7.5.2023, Isarphilharmonie > MEHR
Thanasis Voutsas Copyright: Greece on TourCopyright
Alkyone Copyright: Alexia TyriakidouCopyright
Ihr – unübersehbar respektvoll – zur Seite standen der ausdrucksstarke Tenor Thanasis Voutsas und Newcomerin Alkyone, deren filigrane Liedinterpretationen verzauberten. Noch ein wenig schüchtern wohl, dieser hinreißende, griechische Schneewittchen-Verschnitt, aber seeehr vielversprechend. Süß, wie sie im Vorübergehen ihrer Mentorin verstohlen ein Küsschen auf die Wange verpasste …
Alkyone, Maria Farantouri, Thanasis Voutsas; Isarphilharmonie, 7. Mai 2023; Foto: Melinos Sartoriuss
Ich persönlich wurde Lied um Lied zurück in das Griechenland Ende der 1970er Jahre katapultiert, als ich eine Weile in Patras lebte: Jasmin, Weinberge, Esel und eine Fährschiff-Liebe zwischen malerischen Inseln, Zykaden und eine politisch sehr aktive Bevölkerung, die gerade erst eine blutige Diktatur hinter sich hatte – Dramen, Leidenschaft und Heimatverbundenheit allerseits – Eine ganze Palette hellenisch-mediterraner Klischees vor meinem Inneren Auge heraufbeschworen durch Lieder, die alles waren, nur nicht klischeehaft und mich in eine längst vergangene Zeit zurück versetzten, keine unbedingt gute, aber eine unwiederbringliche. Das alleine ließ sie mich schmerzlich vermissen …
Derweil dominierte auf der Bühne noch immer und wie immer Maria … als gäbe es gar keine Zeit. Diese zeitlos strahlende Präsenz, in Symbiose mit Theodorakis‘ Musik, ließ uns im Publikum spüren, dass wir ZeugInnen eines musikhistorischen Moments waren, was wir zweimal mit Standing Ovations quittierten. Und wir hätten ohne weiteres auch noch länger applaudiert, wenn nicht Maria selbst, die durch eine gerade erst überstandene Operation ein wenig schwächelte, ein dezentes „Basta“ signalisiert hätte.
Post von Gaby dos Santos vom 7. Mai 2023, gegen 22h, nach dem Konzert
Die große Maria Farantouri wirkt selbst im – trotz Sonntag Abend- rappelvollen Bus, noch nach…, und die Umgangssprache ist, wie schon im Konzertsaal, eindeutig Griechisch.
Deshalb ist die lebhafte Unterhaltung zwischen den Songs, die sich spontan immer wieder zwischen Bühne und griechischen Publikum entspann, leider an uns Eingeborenen vorbei gerauscht
Egal, die Emotionen hinter den Liedtexten, den historischen Hintergründen der jüngeren griechischen Geschichte geschuldet, waren für uns alle gleichermaßen spürbar.
Immer besonders: Sternstunden mit engen Freunden teilen, hier mit Daniela und Peter (unsichtbar) in der Isarphilharmonie vor dem Konzert
Die Titelcollage stammt von Gaby dos Santos und beruht auf einem Konzertfoto von Mordo Avrahamov in Caesarea/Israel, in das ein Ausschnitt eines aktuellen Auftrittsfotos von Maria Farantouri einmontiert wurde (Quelle: Isarphilharmonie, 7. Mai 2023; Foto: Melinos Sartoriuss); außerdem die griechische Fahne und das Logo von Gaby dos Santos: Die Theatermaske mit Perlenträne