Dieses Jubiläum bildet sicherlich einen Meilenstein in Bezug auf die Bürgerrechte dieser Ethnie in Deutschland, nach wie vor bleibt unsere Mehrheitsgesellschaft jedoch in der Pflicht und gefordert, was die bedingungslose Gleichstellung eines Volkes anbelangt, das seit hunderten von Jahren unter uns lebt – und uns doch so unbekannt geblieben ist.
Der Gründung des Zentralrats war ein Hungerstreik der Sinti & Roma auf dem Gelände der KZ-Gedenkstätte Dachau vorangegangen, der international Wellen geschlagen hatte >
Damals beim Hungerstreik ebenso dabei, wie heute beim Festakt in erster Reihe, meine Freundin Uta Horstmann (Auf dem Gruppenfoto der Titelcollage im geringelten Kleid)

Mit dem 40. Jubiläum ist zwar ein Meilenstein erreicht, dennoch gibt es in Bezug der gesellschaftlichen Gleichstellung von Sinti und Roma, Jenischen und Reisenden noch immer mehr als genug zu tun! Diesbezüglich möchte ich nach wie vor, durch aufklärende Berichterstattung, meinen kleinen persönlichen Beitrag leisten… Wohl nicht ganz 40 weitere Jahre 😉 aber doch solange es mir möglich ist.

In diesem Sinne von meiner Seite aus herzliche Glückwünsche !

Unter den geladenen Gästen befand sich auch Alexander Diepold, Gründer und Geschäftsführer von Madhouse, der Münchner Beratungs- und Kulturstelle für Sinti und Roma sowie der jugend- und bildungsorientierten Hildegard-Lagrenne-Stiftung.
Diepold hat im Anschluss an den Festakt einige persönliche Betrachtungen formuliert, die sich im nachstehenden Gastbeitrag formuliert finden:
Romani Rose hat die Geschichte und die Errungenschaften des Zentralrats deutscher Sinti und Roma in einem knapp 45-minütigen Beitrag akribisch dargestellt. In diesem Kontext sind ausdrücklich Romani Roses Meriten als Vorsitzender dieser Institution zu bejahen, dem die Landesverbände der Bundesländer, viele individuelle Akteure sowie insbesondere die noch lebenden Zeitzeugen des Holocaust angehören. Gemeinsam mit all diesen Mitstreitern hat Romani Rose den Kampf um die Bürgerrechte schon vor der Anerkennung des Völkermordes seitens des deutschen Staates aufgenommen. All diese Aktivisten einte seinerzeit das Ziel, den Genozid an ihren Familienangehörigen als einen Völkermord aus rassischen Gründen anerkannt zu bekommen und die Würde der Opfern wiederherzustellen.
Romani Roses Festrede und der Rede von Publizist Mehmet Daimagüler möchte ich folgendes hinzufügen:
40 Jahre Bürgerrechtsarbeit haben einen Entwicklungsprozess in Gang gesetzt, der sowohl in der Mehrheitsgesellschaft als auch in unserer eigenen Community ein Bewusstsein für das Unrecht geschaffen hat, das Sinti und Roma angetan wurde. Dabei erwies sich in den Anfängen für unsere Bürgerrechtsbewegung von großem Wert, mit Romani Rose einen äusserst charismatischen Kämpfer aus den eigenen Reihen an der Spitze zu wissen, der sich unbeirrbar und kraftvoll dem – auch nach dem Zweiten Weltkrieg fortgesetzten – Unrecht an uns Sinti und Roma widersetzte.
Die Anerkennung des Völkermordes 1982 und die Gründung des Zentralrates bildeten die Basis für eine an die Mehrheitsgesellschaft gerichtete Forderung, das Unrecht an Sinti und Roma bewusst zu machen und zu beseitigen. Es war für uns in dieser Zeit wichtig und richtig, auf einzelne Menschen mit Kampfgeist und Führungskompetenzen zählen zu können, die von der Community dazu bevollmächtigt wurden, sie politisch zu vertreten, Rechte einzuklagen, Demonstrationen zu organisieren und als Gallionsfigur zu repräsentieren.
Jedoch haben 40 Jahre Zentralrat und Bürgerrechtsarbeit im Laufe der Jahrzehnte auch zu einer Veränderung in der Community-Struktur geführt:
- Heute gibt es mehr als 100 Organisationen, seien es Vereine, Initiativen, gemeinnützige Organisationen oder Menschenrechtsaktivisten, die unterschiedliche Positionen vertreten und gerade aufgrund ihrer Vielfältigkeit unsere Gesellschaft bereichern, darunter namentlich die Hildegard Lagrenne Stiftung und nicht zuletzt die Bundesvereinigung der Sinti & Roma (BVSR) – mit einem Zusammenschluss von mehr als 20 fachlich kompetenten Mitgliederorganisationen!
- Dazu siehe auch nachstehenden News-Podcast von Daniel Strauss, „RomnoKher News“ >
Pluralismus und das Gefühl gleichberechtigter Teilhabe aus unterschiedlichsten Positionen heraus – auf Dauer für jedes demokratische System unverzichtbar – zeichnen auch unsere Community heute in der Summe aus und prägen heute unseren Lebensalltag.
„Freie Meinungsäußerung, freier Wille, gleichberechtigte Teilhabe!“
Herr Daimagüler hat hervorragend zum Ausdruck gebracht, dass wir deutschen Sinti und Roma seit Jahrhunderten in diesem Land verwurzelt sind und uns heute, im Sinne der allgemeinen demokratischen Grundordnung, als – auch politischer – Faktor unserer Gesellschaft sichtbar erheben.
Als Teil einer demokratischen Gesellschaft ist auch unsere Community deutscher Sinti und Roma pluralistisch aufgestellt! Niemals war sie eine homogene Gruppe, sondern immer schon eine heterogene Gemeinschaft vielfältiger Gruppierungen, die zwischenzeitlich auch in der Lage und willens sind, jede für sich selbst zu sprechen. Auch diese Weiterentwicklung ist ein wünschenswertes Ergebnis der Bürgerrechtsbewegung und des Zentralrats.
„Wir müssen uns mit uns selbst auseinandersetzen und auch selbst in die Abgründe sehen“, so sinngemäß Daimagüler, um rechtzeitig aufkommendes Unrecht und antidemokratische Strömungen erkennen und bekämpfen zu können.
Zielführend dabei können nur der gemeinsamschaftlich geführte Kampf um unsere Rechte und gegenseitige Solidarität sein, unter Einbeziehung der nachkommenden Generation, jenseits jeglichen Paternalismus.
Und es gilt, unsere Grundsätze zu bewahren und zu stärken:
„Niemand darf aufgrund seiner Hautfarbe, seiner Abstammung, seiner Religionszugehörigkeit oder seiner sexuellen Orientierung benachteiligt werden.„
Romani Rose in seiner Rede aus Anlass des 40jährigen Bestehens des Zentralrats deutscher Sinti & Roma
Für diese klaren Worte danke ich Romani Rose, betonen sie doch das, was unseren demokratischen Rechtsstaat ausmacht.