Alles wird anders, aber nichts ändert sich – Dieses Sprichwort bringt meinen Abend in der Jazzbar Vogler auf den Punkt: Seit Corona über uns hereingebrochen ist, haben sich zwar die Öffnungszeiten (18.30h – 23h) und die Anordnung der Livemusik-Sets des Lokals geändert, aber einen Vogler-Abend erlebe ich nach wie vor als veritablen Vogler-Abend, sprich: „Als einen stets besonderen Abend.“ Woran das liegt, frage ich mich seit es das Lokal in der Münchner Rumfordstraße 17 gibt, also seit nunmehr 25 Jahren > SZ: Der Club der Genießer, 21.11.1997
Interieur mit Patina: Die Jazzbar Vogler in der Rumfordstr. 17
Kennengelernt habe ich den unkaputtbaren Wirt Thomas Vogler schon zuvor, als Jazzgeiger Hannes Beckmann (+2016) ihn zur Feier meines 39. Geburtstags in meine damalige „Werkstattbühne im ROBINSON“ mitbrachte. Ich erlebte ihn als einen zurückhaltenden Mann Ende 20, der mir auffiel, weil er so akribisch das Treiben um sich herum beobachtete. Kurz danach erfuhr ich, dass eben dieser junge Mann das ewig die Pächter wechselnde Lokal in der Rumfordstraße übernommen hatte, angeblich unter Kuratel von Hannes Beckmann – So jedenfalls hatte sich Letzterer das vorgestellt. Ein Wunschdenken, dass inzwischen jeden zum Schmunzeln bringen würde, der jemals mit Vogler zu tun gehabt hat, denn dieser ist einer der eigenwilligsten und darin konsequentesten Persönlichkeiten, die mir je begegnet sind.
Der „unkaputtbare“ Thomas Vogler seit 25 Jahren Wirt der gleichnamigen Jazzbar
Jazz-Bar „Vogler“:
– Er zog Eric Claptons Trommler von der Bühne, er drehte der „Münchner Freiheit“ den Saft ab. Warum? Weil sie sich nicht an die Regeln hielten. Thomas Vogler hat sich mit seiner Jazz-Bar einen Traum erfüllt. Eine Münchner Institution wurde er aber nur, weil er konsequent ist – und ganz schön stur.
Der sture Bock und sein Lokal, 15.07.2009 Münchner Merkur online > LINK
Das mit der angedachten Beckmannschen Kuratel erledigte sich dann auch ziemlich bald, als nämlich Hannes dort den betrunkensten Auftritt hinlegte, den ich je in meiner langen Laufbahn als Kunst- und Kulturschaffende erlebt habe! Damit fand die Kooperation der beiden ein jähes Ende, was für mich bedauerlich war, da ich damals unsterblich in Beckmanns serbischen Bassisten verliebt war und mit ihm in einer dieser dramatischen On/Off-Beziehungen steckte. Mein Objekt der Begierde zählte in seiner Heimat zu den Top- Stars der Branche und verkörperte eine atemberaubende Mischung aus künstlerischem Können und leicht halbseidenem Charme. Jenem historischen feuchtfröhlichen Gig waren daher einige meinerseits schmachtende Abende bei Vogler vorausgegangen. Und weitere sollten in wechselnder Besetzung über die Jahre folgen …
Unscharf aber historisch: Thomas Vogler und ich 2002
Später war es Thomas Vogler, der meiner Kulturplattform jourfixe-muenchen nach der plötzlichen Schließung des legendären Nachtcafe Asyl gewährte, bis das Münchner Künstlerhaus mir ein längerfristiges Angebot machte > jourfixe-Retrospektive.
Als ich dann 2007 den jourfixe als regelmäßigen Künstler- und Szenetreff einstellte, um mich künftig der Produktion von Historicals zu widmen, stand außer Frage, dass ich den letzten jourfixe (in seiner bisherigen Form) bei Vogler zelebrieren würde.
So sind die Jahre vergangen – Wie schnell, merkte ich, als ich vor vier Jahren mit einer Ewigfreundin noch aus Mutterkindheim-Zeiten nach längerer Abstinenz im Lokal vorbeischaute: Offensichtlich war es mittlerweile Thomas Vogler gelungen, was kaum einem Wirt gelingt – sofern er sich überhaupt länger hält: Der Generationswechsel. Plötzlich fanden sich meine Freundin und ich als Statistinnen inmitten junger Pärchen wieder und als die fast einzigen Älteren, abgesehen von den auftretenden Musiker-Bekannten des Trios BUENA VIDA, um den Argentinier Mundo sowie den Brasilianer Fabio Bloc, den ich seit meiner Anfangszeit in München, 1979, kannte. Kürzlich ist Fabio überraschend gestorben – die berühmt berüchtigten Einschläge kommen näher – aber Vogler ist geblieben, als eine Konstante in meinem Leben, die ich zwar nur selten wahrnehme, aber wenn, dann stets als Highlight …
Das Bild wurde am 25.10.2022 aufgenommen, könnte aber auch von 1997 sein, denn Vogler ist sich treu geblieben
Wie gestern Abend – Schon beim Betreten des Lokals, mit seiner Patina, den sanften Jazzklängen und dem Anblick des unverändert geschäftigen Wirtes, fühlte ich mich wohlig geborgen in meinen Déjà-Vues, die für mich untrennbar mit diesem Lokal ebenso, wie mit meinem Leben verbunden sind. Und auch der unvermeidliche, leicht spöttische Vogler-Spruch ließ nicht lange auf sich warten. 😉 Zum Glück. Als Bestätigung von etwas Beständigem, unverzichtbar für mich, gerade in diesen Zeiten. Auch wenn ich mich an so mancher von Voglers Äußerungen im Lauf der Jahre gerieben habe! Oder gerade weil …
Dass gestern die von mir geschätzte Sängerin Jasmin Bayer im Duo mit Jazzpianist Davide Roberts auf dem Programm stand, gestaltete den Abend richtig rund, denn sie hatten das Repertoire stimmig auf die Atmosphäre der Jazzbar zugeschnitten, mit unprätentiösem und oft bluesig angehauchtem Jazz, eingängig auch für Nicht-JazzerInnen, mit vielen Songs aus eigener Feder, dargeboten mit unübersehbarer Freude am Auftritt – auch keine Selbstverständlichkeit!
Gefühlvolle Darbietung von Jazzsängerin Jasmin Bayer in der Jazzbar Vogler
Nur dass Vogler inzwischen schon um 23h schließt, war noch nicht zu mir durchgerungen, so dass ich eine ganze Menge Rotwein auf Ex kippen musste, ehe ich mich auf den Heimweg machte, mit Zwischenstopp bei meiner geliebten Schreib-Bank am Rosenheimer Platz, auf der ich in der Regel das Resümee eines Abends ins Handy tippe.
Plakatmotiv zu Thomas Voglers Bar-Memoiren
Mit dabei diesmal ein Souvenir der besonderen Art: Thomas Voglers Der kotzende Hund – Kurzgeschichten einer Bar. Darin ist nachzulesen, was einem als Betreiber eines solchen Etablissements so alles widerfährt – „Viel“ schätze ich, als langjährige Veranstalterin, auch wenn ich noch keine Zeit hatte, das Buch zu lesen. Darauf freue mich allerdings schon, denn:
Thomas Vogler ist nicht nur der Beobachter geblieben, als den ich ihn bei unserer ersten Begegnung wahrgenommen hatte, er versteht sich auch hervorragend drauf, seine Erlebnisse zu Papier zu bringen – sicher auch ein Grund seines Erfolges, denn dieses Talent bildet die Grundlage für den Umfang seines immer lesenswerten Newsletters, dem gefühlt größten in ganz München!
Eigentlich hatte ich ja noch einiges zum Lokal in einem Gespräch mit Thomas Vogler vertiefen wollen, doch keine Chance. Ohne personelle Unterstützung wuselte er wie gehabt durch den Abend. 😉 Was soll’s. Der Erfolg der Jazzbar Vogler beruht schlichtweg auf Vogler selbst – und das ist gut so, für mich als Gast. Mehr brauche ich also nicht zu wissen über einen Mann, dem es gelungen ist, 25 Jahre lang unterschiedlichsten Widrigkeiten zu trotzen, die da wären: GEMA, Finanzamt, Brauerei, bösartige Presse, durchgeknallte Künstler, Corona und Gäste jeglicher Couleur und sicher noch Vieles mehr. Dafür gilt ihm meine aufrichtige Bewunderung!!!