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„Faces for the Names – Stadelheim Opfer“: Vom Hinrichtungs- zum Gedenkort > : Projektionen der Fotos von Hinrichtungsopfern der NS-Zeit auf die Außenmauer der JVA Stadelheim, 25. – 28.02., 19 Uhr sowie von 1- 3. März, Giesinger Bahnhof Vorplatz

„Einige der Hinrichtungsopfer der Nazis in der JVA Stadelheim sind weltbekannt: Hans und Sophie Scholl und andere Mitglieder der Weißen Rose sowie die Widerstandskämpfer der Olschewski-Binder-Gruppe“, heißt es im Pressetext der Initative J.E.W.S., die für dieses Projekt verantwortlich zeichnet. Und weiter:

Berührender Moment: Projektion von Widerstandskämpferin Sophie Scholl auf die Außenmauer der JVA-Stadelheim am 22.02.2021, 78 Jahre nachdem sie dort hingerichtet worden war. Foto: Swartzberg

Für den Großteil gibt es allerdings höchstens ein knappes Gerichtsprotokoll: Polnische Landarbeiter, die mit deutschen Frauen „Umgang“ hatten; Österreicher, die sowjetischen Gefangenen Hilfe geleistet haben; Tschechen, die Eisenbahntransporte sabotiert haben. Seien sie nun immer noch weltbekannt oder mittlerweile fast gänzlich vergessen“ (…) Ihnen allen ist die Veranstaltungsreihe „Faces for the Names – Stadelheim Opfer“ gewidmet, mit Projektionen von Opfer- „Gesichtern auf der Mauer“. wie nachzulesen in der Süddeutschen Zeitung, wobei die Außenmauer der JVA Stadelheim gemeint ist.

Weiter titelt die SZ, 24.2.21: „Mehr als 1000 Menschen wurden während der NS-Zeit in Stadelheim hingerichtet – die Kunstaktion ‚Faces for the Names‘ erinnert mit Projektionen an die Opfer“.

Eines der 23 Opfer an die erinnert wird, ist HUGO PATERNO:

Auf dem Grabstein von HUGO PATERNO, im Friedhof der Erlöserkirche  (österreichische Marktgemeinde Lustenau) ist eingraviert:
gestorben 7.7.1944 als Opfer seiner christlichen Überzeugung“ – Das Grab jedoch ist leer!
MEHR über Hugo und Enkel Wolfgang Paterno auf Wikipedia; Foto: Reinhard Müller

(…) „Für seinen Enkel war Hugo Paterno lange einfach der Opa ohne Kopf. Der Großvater sei enthauptet worden, hatte Wolfgang Paterno als Kind gehört, dazu gab es ein paar alte Fotos und Andeutungen, viel mehr aber wusste er nicht. In seiner Familie sei kaum über den Vater seines Vaters gesprochen worden, und außerhalb der Familie schon gar nicht, sagt er. Dabei sei die Geschichte im Heimatort in Vorarlberg natürlich bekannt gewesen. Der Großvater sei verdrängt und mit der Zeit fast vergessen worden.

Hugo Paterno 19. Dezember 1896  – 7. Juli 1944

Hugo Paterno ist kein Verbrecher gewesen, im Gegenteil: Er war sogar Gesetzeshüter. Doch er war frommer Katholik, konnte den Nazis wenig abgewinnen und hatte am falschen Ort zur falschen Zeit den Mund aufgemacht. Im Juli 1943 hatte er einen Tabakladen kontrolliert und dabei gesagt, dass sich das Nazi-Regime nicht werde halten können – und noch dazu, dass in den Konzentrationslagern Unschuldige säßen. Die Tabakhändlerin denunzierte Paterno. Wenig später wurde er verhaftet. Im Juli 1944 wurde er in Stadelheim geköpft.
(…)
Wolfgang Paterno hat nach Jahrzehnten des Schweigens erst bei den Recherchen für sein Buch erfahren, dass sein Opa ohne Kopf, dass der Hugo gar nicht im Familiengrab in Lustenau liegt, wo sein Name doch in die Grabplatte eingemeißelt steht. Er wurde nach der Hinrichtung der Anatomie zur Verfügung gestellt, am Ende wurde der Leichnam wohl verbrannt oder irgendwo anonym begraben. Hugo Paterno ist 1944 einfach verschwunden.
Hugo Paterno ist eines von vielen vergessenen Opfern der nationalsozialistischen Unrechtsjustiz. (…)“


Ende Zitat SZ-Artikel, 24.2.21, von Jakob Wetzel; siehe dazu auch das Beitragsbild:
Ein Zeitungsausschitt mit Foto von Stefan Rumpf –

„Anna Guttenberger. Sintetssa. Her ‚crime‘: begging for warm clothing for her freezing family. Executed in Stadelheim prison in Munich. Brought back today. At the place where she was murdered. „- Terry Swartzberg

Das Projekt „Faces for the Names – Stadelheim Opfer„, läuft vom 25. Februar bis 3. März 2021 (Termin vom Lockdown abhängig).  An der Veranstaltung am Freitag, 25. Februar wird auch der bayerische Justizminister Georg Eisenreich teilnehmen.

An jedem der Vorführungsabende, sowohl an denen vor der JVA, wie an denen auf dem Vorplatz des Giesinger Bahnhofs, werden Nachkommen Einführungen in das Leben verschiedener Opfer halten. Diese Zeugnisse in Bild und Text bilden auch die Grundlage für ein geplantes Fotobuch, in dem Opferschicksale festgehalten werden.

Faces for the Names – Stadelheim Opfer“ setzt einen versöhnlichen Schlussakkord in der Chronik der JVA als ehemalige Vollzugsanstalt eines Terrorregimes. Entsprechend äußert Terry Swartzberg, Vorstandsvorsitzender des J.E.W.S. Jews Engaged With Society e.V.:

„Unser Dank gilt der Leitung der JVA Stadelheim für die langjährige Unterstützung bei der Aufklärung und dem Gedenken an die Verbrechen des NS-Justizterrors, sowie natürlich auch den Angehörigen, die durch höchst engagiertes Mitwirken dieses intensive Projekt ermöglicht haben.“

Dazu antwortet Michael Stoll, aktuell Leiter der Justizvollzugsanstalt Stadelheim (o.g. Fotos) mit nachstehendem Grußwort:

Das Gefängnis Stadelheim wurde mit der Machtübernahme der Nationalsozialisten 1933 in die Unterdrückungs- und Verfolgungsmaschinerie der NS-Diktatur integriert. Zahlreiche politische Gegnerinnen und Gegner des Regimes waren hier inhaftiert, aber auch Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeiter, Homosexuelle und sog. „Rasseschänder“. Besonders bedrückend ist die hohe Zahl der Hinrichtungen, die vor allem in den Kriegsjahren durchgeführt wurden: Zwischen 1934 und 1945 wurden hier 1.188 Menschen hingerichtet, darunter auch 75 Frauen. 

Seit 1973 erinnert eine Gedenkstätte auf dem Anstaltsgelände an die Opfer der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft. Im Jahr 2020 hat die Justizvollzugsanstalt München eine Tafel der Öffentlichkeit übergeben, mit der die Funktion der Justizvollzugsanstalt München als eine der zentralen Hinrichtungsstätten des Deutschen Reichs kenntlich gemacht werden und an das unfassbare Leid der Verfolgten der damaligen Schreckensherrschaft erinnert werden soll. 

Das aktuelle Projekt „Faces for the Names“ gibt den Namen der vielen Opfer nun ein Gesicht. Möge es Erinnerung an die vielen Toten und zugleich Mahnung an die Lebenden sein! 

AZ vom 24.7.20: An der JVA Stadelheim werden Gedenktafeln für die dort in der NS-Zeit Hingerichteten enthüllt. Von li.: JVA-Chef Michael Stumpf, die Angehörigen Heinz Biack sowie Heide Delbeck und der bayerische Justizminister Georg Eisenreich, die auch an der „Faces for the Names“-Veranstaltung am 25. Februar 2021 teilnehmen werden, – Foto: SIGI MÜLLER

Wir J.E.W.S.sagen ‚Danke!‘ – an unseren lieben und engagierten Freund Alexander Schmitt-Geiger – den Ideengeber! – und an Carmen Dullinger-Oßwald, Leiterin des BA 17, an die JVA, und vor allem, an die Angehörigen, die so lange auf diesen Moment der Anerkennung gewartet haben!



Siehe dazu auch den TV-Beitrag, unter nachstehendem Link:

Faces for the names >
Erinnerung an Opfer des NS-Regimes in Stadelheim

  • BR Fernsehen
  • 25.02.2021, 21:45 Uhr
  • 2 Min
  • Online bis 04.03.2021, 22:01 Uhr

Impressionen der Veranstaltung am Freitag, 26. Februar 2021, mit Teilnahme des bayerischen Justizministers Georg Eisenreich:

Uhrzeigersinn: Projektionsvorlagen der NS-Opfer in der JVA-Stadelheim, Initator Terry Swartzberg zwischen Oliver Stey (Privatarchiv Reisende/Gaukler & Kömödianten) und Aktivistin Edith Grube, von der auch die Fotos stammen, Terrymmit Justizminister Georg Eisenreich (li) und Michael Stoll, Leiter der JVA; 26.02.2021

Um was aber genau geht es bei „Faces for the Names„?

Faces for the Names“ macht die Opfer des Holocaust – ihre Namen und ihre Gesichter – für uns wieder sichtbar. Hierfür werden ihre Fotos an die Fassaden jener Häuser projiziert, in denen sie vormals gelebt haben.

Das von Journalist und Ethical Campaigner Terry Swartzberg und Motion Designer Julian Giebelen entwickelte Projekt wurde, nach Vorbildern in Prag und Washington D.C., vom Verein J.E.W.S. Jews Engaged With Society e.V. in München am 24. Oktober 2020 erfolgreich gestartet.

Den Auftakt bildete das Haus in der Münchner Lindwurmstraße 205, wo sich einst ein Kaufhaus für Lederwaren befunden hatte, Lebensmittelpunkt – seit 1912 – sowie Lebenswerk von Sophie und Emanuel Gutmann. Unter den Nationalsozialisten wurde das Ehepaar zunächst enteignet, dann, 1942, nach Theresienstadt deportiert und später dort ermordet.

Es mutet fast wie eine Auferstehung an, wenn die Gesichter von Opfern des NS-Regimes, deren Namen häufig schon ein Stolperstein lebendig hält, nunmehr auch als Projektion auf der Hauswand ihres zuletzt frei gewählten Wohnortes sichtbar werden, mitten hinein in das Treiben der Stadt …

Auf die Lichtinstallationen für Emanuel und Sofie Gutman folgten bald sieben weitere. Die AZ vom 12.11.2020 titelte: „Lichtinstallationen an Hausfassaden: Leuchtende, traurige Erinnerungen. Mit mehreren Lichtinstallationen wird in dieser Woche Münchner Juden gedacht, die von Nazis ermordet wurden. Ein Blick auf eine leidvolle Geschichte

Am gestrigen Mittwoch Abend, 23.2.21, fand mitten in München, in der Dachauer Straße, wieder einmal eine solche virtuelle Rückbeschwörung statt, diesmal gewidmet der Jüdin Helene Simon. An der Verlegung ihres Stolpersteins hatte ich im Sommer 2016 persönlich teilgenommen und von ihrer Stolperstein-Patin, Sibylle Schwarzbeck, umfassendes Text- und Bildmaterial erhalten. Helene Simon war eine Freundin der Mutter gewesen. Mehr dazu in meinem Blogbeitrag >
Stolpersteine auch in München! – Zu den drei Verlegungen am 4. Juli 2016
Auch gestern Abend erinnerte Frau Schwarzbeck an Helene Simon. Deren Stolperstein jedoch musste zwischenzeitlich, auf Grund von Bauarbeiten, vorübergehend entfernt werden und befindet sich derzeit in der Obhut von Terry Swartzberg.

Im Uhrzeigersinn: 2 Ansichten der Projektion eines Fotos von Helene Simon, Initiator Terry Swartzberg, und – in Groß – eine Gravur des Stolpersteins von Helene Simon; 23.2.21; Dachauer Str. 25, München;
Fotos: Edith Grube

Es berührt mich, wenn ich in Posts von Terry wieder einmal lese:„Brought back …“
Davor ein Name und ein weit zurückliegendes Sterbedatum mit Ortsangabe eines Konzentrationslagers, dahinter jedoch – wie tröstlich – ein aktuelles Datum … – Das Datum, an dem eine weitere Lichtinstallation das Gesicht eines Opfers in die Gegenwart zurückholt, mitten hinein in unser ganz alltägliches Leben.

Fotos: Terry Swartzberg via Facebook
Im Uhrzeigersinn:
Emma Späth, murdered in Treblinka, Brought back on November 12 #FacesForTheNames
Paula Holzer, murdered in Piaski. Brought back on November 13 #FacesForTheNames
Hermine Bach, murdered in Piaski. Brought back on November 14 #FacesForTheNames

Berta Kaphan. Murdered in Auschwitz. Brought back on November 15 #FacesForTheNames

Video


Bisherige Münchner „Faces for the Names“:

24.10.2020 Lindwurmstr. 205 zum Gedenken an Sofie und Emanuel Gutmann
09.11.2020 Liebigstraße 12 zum Gedenken an Mindel Falk
10.11.2020 Maximilianstraße 23 zum Gedenken an Frieda Michaelis
11.11.2020 Maximilianstraße 25 zum Gedenken an Ilse Stein
12.11.2020 Maximilianstraße 27 zum Gedenken an Emma Spaeth
13.11.2020 Widenmayerstraße 7 zum Gedenken an Paula Holzer
14.11.2020 Thierschstr. 25 zum Gedenken an Hermine Bach
15.11.2020 Reitmorstraße 53 zum Gedenken an Berta Kaphan
23.02.2021 Dachauerstraße 25 zum Gedenken an Helene Simon

25.02. – 28.02.2021 JVA München Stadelheim – Opfer
01.03. – 03.03.2021 Vorplatz Giesinger Bahnhof “ “ „


J.EW.S. Jews Engaged With Society e.V. setzt sich für ein freudiges, selbstbewusstes Judentum im Europa der Solidarität und Vielfalt ein.

Durch die Projekte „Faces for the Names“ sowie „Kippa Parties“ fördert der Verein das Gedenken der Opfer des Holocaust, das Bekämpfen von Antisemitismus, Rassismus sowie Hass und Ausgrenzung, sowie den Aufbau und die Pflege von Beziehungen zwischen den Religionen und Gruppierungen.


Portrait zu > TERRY SWARTZBERG

Terry Swartzberg: Sprecher der Stolpersteine-Familie

„Terry Swartzberg, der Vorstandsvorsitzende der Initiative Stolpersteine für München e.V., setzt sich nicht nur dafür ein, dass in München Stolpersteine verlegt werden können, sondern begleitet die Expansion der Stolpersteine allgemein durch PR und Social Media-Arbeit. Andere Schwerpunkte seiner Arbeit für die Stolpersteine sind u. a. die Zusammenarbeit mit jüdischen Gemeinden in Deutschland, Europa sowie in den USA; und mit Yad Vashem, Universitäten, Sozial- und Jugendgruppen sowie Ministerien in Israel.
(Quelle Text/Foto: swartzberg.com)

Terry Swarzberg mit zwei Stolpersteinen in der zentralen Gedenkstätte Yad Vashem in Israel; > Bildquelle

Mehr zu den > STOLPERSTEINEN

V.l.: Gaby dos Santos putzt Stolperstein, Mi.oben: Verlegung von Stolpersteinen, Mi. unten: Bildhauer Gunter Demnig, Schöpfer der Stolpersteine, rechts: Terry Swartzberg moderiert eine Veranstaltung

Beitragsbild: Edith Grube

Veröffentlicht von Gaby dos Santos

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