Was macht die Anekdote aus? Was den Mythos?
Und wie sind sie im Spiegel der Zeit verankert?
Diese und viele andere Aspekte brachten die Autoren Hans-Karl Fischer und Simon Gerhol am 13. April den Gästen in der litbox2 nahe.

Am Beispiel Napoleon und Goethe führte Hans-Karl Fischer in das Wesen der Anekdote ein, dem Simon Gerhol seinen Text über Artemis und Aktaion folgen ließ. Die unterschiedlichen Ansätze im Hinblick auf den Bezug zur Geschichte, zur Pointe, der Charakterisierung der Personen zeigten anschaulich die Bandbreite, in der die Anekdote angesiedelt werden kann. „Geh mir aus dem Regen – Alexander und Diogenes“ (Hans-Karl Fischer) und „Minotaurus“ (Simon Gerhol) vertieften diesen Eindruck – wobei beide Autoren Wert darauf legten, dass sie die Anekdote nicht als humorvollen Schwank, sondern als ernstzunehmende literarische Gattung verstehen.

Nach der Pause lag der Schwerpunkt auf dem Mythos. In diesen führte Simon Gerhol ein und hob dessen identitäts- und richtungsgebende Bedeutung auch in der heutigen Zeit hervor. Der Mythos als Klassenkampf, der Mythos als Grundlage archetypischer Entsprechungen, der Mythos im Wandel der Zeit und die Frage, wie wird die Wahrheit vor dem jeweiligen gesellschaftlichen Hintergrund verfremdet, zeigten klug sowohl die Unterschiede als auch die Parallelen zur Anekdote. Hans-Karl Fischer ließ dem die pointierte Geschichte „Der Hofschreiber und das Inoffizielle“ über die Orgien der römischen Kaiserin Theodora folgen. Was ist wahr? Was erfunden und im Kontext der jeweiligen Gesellschaft interpretiert? Auch in „Klytaimnestra“ (Simon Gerhol), „Vor der Reformation – Cosimo di Medici“ (Hans-Karl-Fischer) und „Pandora“ (Simon Gerhol) flammten diese Spannungsbögen immer wieder auf.
Den Abschluss machte Hans-Karl-Fischer wieder mit einer Anekdote, die – in der litbox2 als Münchner Institution – nicht fehlen durfte: die Begegnung von Ludwig I. und Lola Montez. Wie kaum eine zweite Frau beschäftigte sie die gesellschaftlichen Schichten mit ihren Skandalen, ihrem unsteten Lebensstil und ihrem extrovertierten Auftreten. Wie die erste Begegnung verlief, bei der mit einem Brieföffner das Korsett der Montez aufgeschnitten wurde, war schon fast eine Humoreske, in jedem Fall ein erheiternder Abschluss dieses besonderen abwechslungs- und bildungsreichen Abends.
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