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„Kommt herbei zu einem gleichen Wort zwischen uns …“ Muslimisches Leben in München als gesellschaftliche Chance

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„Wir brauchen Kulturdolmetscher“, sagte der SPD-Parteivorsitzende Sigmar Gabriel in einer Rede in Mainz; man könne schließlich nicht erwarten, dass jeder Flüchtling gleich ein lupenreiner „Verfassungspatriot“ sei. Diesbezüglich jedoch könnten unsere Mitbürgerinnen und Mitbürger mit Migrationshintergrund wertvolle Hilfestellung leisten.

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Mitglieder der „Flüchtlingshilfe Muenchner Muslime“ beim Großeinkauf von Socken, Quelle: FMM

Und das tun sie auch längst, wie ich im September bei einer Pressekonferenz der„Flüchtlingshilfe Münchner Muslime V.i.G“ selbst erfuhr. In deren Selbstdarstellung heißt es: Münchner Muslime sind multikulturell und bringen daher eine große Sprach- und Kulturvielfalt mit. Zudem zeichnen wir uns durch unterschiedlichste Bildungshintergründe aus“.

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Pressekonferenz der „Flüchtlingshilfe Münchner Muslime“ im Gemeinderaum der Pasinger Moschee. In der Mitte Aida Dedovic, Foto: MFI

Aida Dedovic, die informelle Leiterin der neuen Vereinigung, ergänzt in der Süddeutschen Zeitung:“ ‚Wir sind alle multilingual, wir haben einen großen Erfahrungsschatz.“ Diese Erfahrung haben sie zuletzt auch eingebracht. Vor allem am Hauptbahnhof und in den Notquartieren, aber auch in den Unterkünften in der Bayern- und Funkkaserne. Sie haben gedolmetscht, sie haben Spenden bei Unternehmen gesammelt, sie haben sich in die Helferlisten eingetragen, nicht als Muslime, sondern als Personen, die Farsi können oder Essen austeilen wollen. Und denen sich gerade neu ankommende Flüchtlingsfrauen mitunter leichter öffnen, wenn auch ihr Gegenüber in der Helferweste ein Kopftuch trägt.‘

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Mitglieder der FLÜCHTLINGSHILFE MÜNCHNER MUSLIME, in der Mitte, hinten, Aida Dedovic sowie Vertreter der gastgebenden Pasinger Moschee, dritter von links Imam Idriz, MFI

Dedovic sehe die aktuelle Flüchtlingskrise als „Riesenchance“ sowohl für unsere Stadt, wie auch für unsere muslimischen Mitbürgerinnen und Mitbürger; geeignet, Vorurteile auszuräumen, die von mehr oder weniger latenter Islamophobie geprägt sind,“ so die Süddeutsche weiter.

„Der FRIEDLICHE Islam gehört zu Deutschland“

Heinrich Bedfort-Strohm, Ratsvorsitzender der evangelischen Kirche

Für diesen Islam steht das  „Münchner Forum für Islam (MFI) aus deren Broschüre ich einige Passagen zitiere: Das MFI setzt sich für ein aufgeklärtes und rationales Islamverständnis ein. In Deutschland wird es muslimischen Theologen und Imamen heute möglich sein, Mechanismen des rationalen Denkens (Idschtihad) und der Innovation (Tadschdid) in das Religionsverständnis einzubringen und Fehlentwicklungen zu korrigieren. In diesem Sinne wird angestrebt, theologische Aus- und Fortbildungsangebote für Imame in deutscher Sprache aufzubauen, ebenso für Religionsunterricht, religiöse Dienstleitungen (wie z.B. Eheschließungen, Bestattungen) anzubieten, und Aufklärung über den Islam in dem hier dargestellten Sinn für die Öffentlichkeit zu leisten.

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Das MFI ist rational und reformorientiert, aber mit einer Tradition in Einklang, die offen für neue Auslegungen ist. Das MFI beschäftigt sich nicht mit Formen sondern mit Inhalten. Unterschiede im Denken, Glauben und in Rechtsmeinungen lassen wir beiseite und wollen uns auf die verbindenden Normen und Werte konzentrieren.

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Aussenfassade von Altstadt-Moschee und MFI, Hotterstraße

Das MFI lehnt pseudoreligiösen Aberglauben, Übertreibungen und Extremismus entschieden ab und basiert auf einem Islamverständnis in Einklang mit Wissenschaft, Vernunft, Ethik und Seele. Der Gesandte Gottes Muhammed (s) hat die Menschen eindringlich davor gewarnt, „in religiösen Dingen die Grenzen zu überschreiten“, das normale Maß, den gesunden Menschenverstand, also das Herz des Menschen, außer Acht zu lassen.“

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Iman Idriz, Stadtdekanin Kittelberger (EKD), Petra und Dieter Reiter, Münchner OB, am Marienplatz, Foto: MFI

Link zum Image-Film des MFI, in dem auch Vertreter/Innen unserer Stadt zu Wort kommen, u. a. die evangelische Stadtdekanin Barbara Kittelberger, Bürgermeister Josef Schmid und Apostolos Malamoussis, Erzpriester der griechisch-orthodoxen Gemeinde.
Das MFI plant ein großes Bauvorhaben, dazu schreibt die SZ im Juli 2015: „An den Rand des Kreativquartiers will der Verein ein Gemeindezentrum bauen, das neben dem Gebetsraum für 800 Muslime auch eine Bibliothek, ein Museum, Akademieräume und einen für alle Bürger offenen Andachtsraum umfasst, einen öffentlichen Platz sowie Restaurant und Café. Der erste Entwurf des Architekten Alen Jasarevic mit seiner raffiniert gestalteten Fassade stieß in der Öffentlichkeit auf breite Zustimmung.“

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Modell des geplanten Münchner Forums für Islam in der Dachauer Straße, Foto: MFI

Mehr über den Verein MFI, einschließlich einer Broschüre zum geplanten Bau, findet sich unter www.islam-muenchen.de

Ob dieses Projekt wirklich realisiert werden kann, hängt jetzt unter anderem davon ab, ob die Initiatoren bis Ende das Jahres den Kaufpreis für das von der Stadt reservierte Grundstück zusammen bekommen werden. Geld aus Saudi Arabien ist keines zu erwarten, weil das MFI kategorisch jede Einflussnahme seitens potentieller Geldgeber ablehnt

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Imam Benjamin Idriz, Foto: MFI

Zum Vorstand des MFI zählt nicht zuletzt Benjamin Idriz, eine der zentralen Figuren, wenn nicht DIE zentrale Figur der Münchner Muslime für interreligiösen Dialog. Seit 1995 ist er Imam der Islamischen Gemeinde Penzberg e.V. und seit 2009 Vorsitzender des Vereins “Münchener Forum für Islam” e.V. Darüber hinaus ist er Autor des Buchs „Grüß Gott, Herr Imam – Eine Religion ist angekommen(Diederichs Verlag, 2010).

Der Untertitel „Eine Religion ist angekommen“ liest sich vielversprechend und trifft durchaus zu. Ebenso zutreffend ist aber leider auch, dass längst noch nicht alle Muslime wirklich bei uns angekommen sind. Der  ZDF-Beitrag „Ein Staat, zwei Welten“ greift diese Problematik ebenso anschaulich wie Besorgnis erregend auf und stellt die Gretchen-Frage:  „Wie die etwa 800.000 Flüchtlinge in die Gesellschaft integriert werden, ist eine Frage unserer Zukunft. Werden sie in Parallelwelten abtauchen oder lernen, unser Wertesystem zu akzeptieren? Toleranz dürfe nicht dazu führen, dass sich in unserer Gesellschaft solche Parallelgesellschaften mit eigenen Regeln ausbreiten, so die Dokumentation, denn „… in unserem Recht spiegelt sich die Wertevorstellung unserer Gesellschaft!“,  wie ein deutscher Richter im Film betont.
Entsprechend fordert auch Sigmar Gabriel, dass das Gesetz immer über der Religion stehen müsse und keiner in unserer Gesellschaft sein Bekenntnis über andere stellen dürfe.

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Standbild aus der ZDF-Dokumentation von 2013 „Ein Staat – zwei Welten“

Ebenso forderte kürzlich der Journalist Jakob Augstein eine „neue Leitkultur“. Den Begriff „Leitkultur“, laut Arte,  hatte ursprünglich der Politologe Bassam Tibi geprägt.„Er benutzte ihn, um grundlegende gesellschaftliche Werte zu beschreiben, wie Demokratie, Laizismus, Aufklärung und Menschenrechte.“ Der damalige CDU-Fraktionsvorsitzende Friedrich Merz wandelte den Begriff 2000 ab, in dem er  (…)“ bemängelte, es gebe keine allgemein akzeptierte Definition mehr von dem, „was wir unter unserer Kultur verstehen„. Diese „Leitkultur“ verstand Merz als Gegenmodell zur „multikulturellen Gesellschaft“, die man in den Reden der damaligen rot-grünen Regierung oft wiederfand. (…)“

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Jakob Augstein fordert eine „neue Leitkultur“, Foto: ARD

Augsteins Haltung eignet sich aber nicht als später Triumph für Merz, denn Augstein bezieht sich vielmehr auf Bassam Tibi.Unsere Gesellschaft müsse auf den Wandel, der sich längst in ihr vollzogen habe, eingehen und sich über eine gemeinschaftliche Leitkultur neu definieren. Diese aktualisierte Leitkultur solle eine Art verbindlich schützenden Überbau bilden, unter dem sich kulturelle Vielfalt positiv entfalten könne. Diese Forderung wiederholte er kürzlich bei MAISCHBERGER und erntete sogleich Gegenwind. Es könne nicht angehen, dass wir (Deutsche) uns nun auch noch nach den Migranten richteten, befand sinngemäß die Sprecherin einer Bürgerinitiative.  Hier war sie wieder spürbar, die Angst vor dem Verlust des Vetrauten durch das Schreckgespenst einer „Überfremdung“ …
Monotheistische_Religionen_Interreligioeser_Dialog_Halbmond_David-Stern_Kreuz_jourfixe-Blog_Gaby_dos_Santos

Für mich steht fest, dass sich das „Rad der Zeit“ nicht mehr zurück drehen lässt. Wozu auch? Es lebt sich doch recht gut in dieser inzwischen bunten Gesellschaft? Nun gilt es, sich diese zu vergegenwärtigen und im positiven Sinne zu bewahren. Insofern stimme ich Jakob Augstein zu und habe mich ein wenig unter Muslimen in München umgesehen.

Da unsereins zur Zeit viel über Islam und Islamismus diskutiert – oft auch schwadroniert – man aber eigentlich nicht viel Konkretes darüber weiß, begann ich meine Recherche mit dem 3-teiligen Dokumentarfilm  „Mohammed, der Prophet“  von Faris Kermani und Ziauddin Sardaran. Die Dokumentation zeigt ein faszinierendes Portrait des großen Religionsstifters und geschickten Staatsmannes, obwohl – oder gerade weil – der Beitrag auch kritische Stimmen zu Wort kommen lässt. Aufschlussreich fand ich auch den Einblick in Mohammeds Lehren im historischen Kontext und den Zusammenhang zwischen den drei monotheistischen Religionen.

PHOENIX MOHAMMED - DER PROPHET, "Erste Offenbarungen", am Mittwoch (26.08.15) um 20:15 Uhr. Filmregisseur Faris Kermani © PHOENIX/ZDF, honorarfrei - Verwendung gemäß der AGB im engen inhaltlichen, redaktionellen Zusammenhang mit genannter PHOENIX-Sendung bei Nennung "Bild: PHOENIX/ZDF" (S2). PHOENIX-Kommunikation, Tel: 0228/9584-196, Fax: -199, presse@phoenix.de
Empfehlenswert! MOHAMMED – DER PROPHET, Teil 1: „Erste Offenbarungen“, Filmregisseur Faris Kermani, Ausstrahlung 26.8.2015  © PHOENIX/ZDF

Mohammed bezeichnet die Juden und Christen übrigens als Volk der Schrift. Im Koran 3:64 steht:„Sprich: ‚O Volk der Schrift, kommt herbei zu einem gleichen Wort zwischen uns, dass wir nämlich Allah allein dienen und nichts neben Ihn stellen, und daß nicht die einen von uns die anderen zu Herren annehmen neben Allah.‘ Und so sie den Rücken kehren, so sprechet: ‚Bezeuget, dass wir Muslime sind‘.“

Koran Vignette
Koran Vignette

Die drei Religionen verbindet auch, dass ihre Heiligen Schriften Tora, Bibel und Koran in einem altertümlichen Stil und in einer bildhaften, nicht immer eindeutigen Sprache abgefasst sind. Bei falscher Lesart ergibt sich daraus emotionaler und schlimmstenfalls auch ganz realer Zündstoff; jener der zu den Kreuzzügen im Mittelalter führte, jener, der jüdische Siedler dazu treibt, sich in palästinensischen Gebieten niederzulassen und eben auch jener Zündstoff, durch den für die Islamisten ein „Dschihad“, ein ihrer Auffassung nach „Heiliger Krieg“, entflammt ist.

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Der Koran – das Heilige Buch der Muslime

Zum Begriff „Dschihad“ sowie zu weiteren „25 Fragen zum Islam“ bin ich im Internet auf folgende Erläuterung gestoßen:
„Oft werden in den Medien Begriffe wie ‚Dschihad‘ und “heiliger Krieg“ genannt und gleichgesetzt. Im Islam gibt es den Begriff des heiligen Krieges nicht. Gemeint ist eigentlich das Wort ‚Dschihad‘, welches ‚Anstrengung‘ oder genauer ‚sich auf dem Wege Gottes anstrengen‘ bedeutet. Jede Anstrengung im Alltagsleben, die unternommen wird, um Gott zufriedenzustellen, kann als Dschihad betrachtet werden. Eine der höchsten Stufen des Dschihad ist es, sich gegen die Herrschaft eines Tyrannen zu erheben und ihm die Wahrheit zu sagen. Gegen sein Ego zu kämpfen und sich von schlechten Verhaltensweisen fernzuhalten, ist ebenfalls eine große Anstrengung auf dem Wege Gottes. Zum Dschihad gehört auch, dass man zu den Waffen greift, um den Islam oder ein muslimisches Land zu verteidigen. Diese Art des Dschihad muß von einer religiösen Führung oder von einem muslimischen Staatsoberhaupt, das dem Koran und der Sunna (dem Beispiel des Propheten Muhammad) folgt, ausgerufen werden.“ *Originaltitel: 25 Most Frequently Asked Questions About Islam, Dr. Shahid Athar, 1993

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Die Kaaba in Mekka ist das Ziel der großen Wallfahrt (Haddsch), die jeder Muslim einmal in seinem Leben unternehmen soll, sofern er dazu in der Lage ist. Die Pilger umrunden sie siebenmal gegen den Uhrzeigersinn und preisen dabei Allah; diese Umrundung wird Tawāf (‏طواف‎) genannt.
(Quelle: Wikipedia)

Den letzten obigen Passus bzgl. des Einsatzes von Waffen muss man im historischen Kontext betrachten: Die Kaaba in Mekka war schon vor Mohammed ein religiöses Zentrum für Pilger aus allen Ecken Arabiens, die dort einer Vielzahl unterschiedlicher Gottheiten huldigten und viel Geld in die Stadt brachten. Die damals in Mekka herrschende Kaste empfand Mohammed, mit seiner neuen monotheistischen Glaubenslehre, als politische wie finanzielle Bedrohung. Mohammed  floh daher und ließ sich mit seinen Getreuen in Medina nieder. Es folgten zahlreiche blutige Auseinandersetzungen mit den Heeren Mekkas. Dennoch hat Mohammed immer betont, dass der bewaffnete Kampf nur der Verteidigung dienen dürfe. 

Wie oft musste ich mir in letzter Zeit anhören, Religion (und damit war keineswegs nur der Islam gemeint) stifte nichts als Unheil! Aber sind es nicht immer wir Menschen selbst, die die Gebote Gottes pervertieren?

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Die 16 Münchner Imame formulieren die Erklärung: „Nicht im Namen Allahs … Und nicht in unserem Namen!” Foto: MFI

Erschüttert über die Greueltaten des IS wandten sich im September 2014 die 16 Münchner Imame mit der Deklaration „Nicht im Namen Allahs … Und nicht in unserem Namen!“ an die Öffentlichkeit. Nachstehend Ausschnitte:

„(…) Weil wir Muslime sind, sind wir entsetzt über die Verbrechen, die im Namen unserer Religion im Irak und in Syrien begangen werden! (…)
Wir sind zutiefst traurig über die Zerschlagung der uralten Tradition des Miteinanders im Nahen Osten, wo Menschen unterschiedlichen Glaubens und vielfältiger Kulturen seit Hunderten von Jahren zusammenleben.
Wir solidarisieren uns mit Christen, Juden, Jesiden, Schiiten oder Sunniten – wer auch immer wo auch immer unter Gewalt, Terror und Vertreibung leidet.
Wir wehren uns dagegen, dass der Hass aus anderen Regionen der Welt nach Deutschland gebracht werden soll, und arbeiten für ein friedliches Miteinander hier in Deutschland, wo wir zuhause sind.
Wir Imame, die Verantwortung in unseren Gemeinden übernommen haben, um die Botschaft des Islam weiterzutragen, engagieren uns seit Jahren für ein friedliches Zusammenleben in Deutschland und setzen uns in unseren Predigten und in unserem Wirken in den Gemeinden für ein aufgeklärtes und gemäßigtes Religionsverständnis ein, gemäß dem Koran und der Tradition.
Wir leiden unter den aktuellen Nachrichten ja nicht weniger als andere, sondern mehr, weil es unsere Religion ist, die dabei so unbeschreiblich pervertiert wird. Müssen die Imame lauter schreien? Ja, müssen sie! Denn es sind die Irren, die Ungebildeten und Fehlgeleiteten, die Gewalttäter allerorten, die das Bild unserer Religion nach außen bestimmen. Und es ist unsere Aufgabe – wessen sonst! – dagegen aufzutreten. Wir können nur an alle appellieren, nicht uns hier an den Wahnsinnstaten anderer, wo auch immer auf der Welt, zu messen. Nicht uns, und nicht DEN Islam. So wie wir nicht das Christentum und nicht das Judentum an dem messen wollen und werden, was Einzelne oder extremistische Strömungen an Leid verursachen.

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„Imame verurteilen den IS-Terror“   SZ-Artikel von Bernd Kastner, September 2014

(…) Der Koran verurteilt das Töten Unschuldiger in der entschiedensten Formulierung, die denkbar ist:
مَنْ قَتَلَ نَفْسًا بِغَيْرِ نَفْسٍ أَوْ فَسَادٍ فِي الْأَرْضِ فَكَأَنَّمَا قَتَلَ النَّاسَ جَمِيعًا وَمَنْ أَحْيَاهَا فَكَأَنَّمَا أَحْيَا النَّاسَ جَمِيعًا
„Wer ein menschliches Wesen tötet, ohne (dass es) einen Mord (begangen) oder auf der Erde Unheil gestiftet (hat), so ist es, als ob er alle Menschen getötet hätte. Und wer es am Leben erhält, so ist es, als ob er alle Menschen am Leben erhält.“ (Koran: 5/32)
Unser Prophet Muhammed sagt:
لهدم الكعبة حجراً حجرا أهون من قتل مسلم
„In den Augen Gottes ist es eine geringeres Vergehen, die Kaaba zu zerstören, als einen friedliebenden Menschen zu töten.“
Dem Frieden gilt der gemeinsame Ruf aller Religionen. Barmherzigkeit ist mit weitem Abstand diejenige Aussage, die uns der Koran am häufigsten über Gott vor Augen hält. Allah selbst ist السلام „as-salam“, der Friede, und der wahre Muslim, der während seines Gebetes täglich dieses Wort immer wieder ausspricht, ist derjenige Mensch, der in Frieden mit Gott, mit sich selbst, seiner Umgebung, allen Menschen, Tieren und Pflanzen sowie mit dem ganzen Kosmos lebt. Allah fordert die Muslime dazu auf, die Botschaft des Friedens zu verbreiten und sich selbst ihrem Gegner gegenüber gerecht zu verhalten, um damit sein Herz zu erweichen und aus ihm einen Freund zu machen:
وَلا تَسْتَوِي الْحَسَنَةُ وَلا السَّيِّئَةُ ادْفَعْ بِالَّتِي هِيَ أَحْسَنُ فَإِذَا الَّذِي بَيْنَكَ وَبَيْنَهُ عَدَاوَةٌ كَأَنَّهُ وَلِيٌّ حَمِيمٌ
„Und nimmer sind das Gute und das Böse gleich. Wehre (das Böse) in bester Art ab, und siehe da, der, zwischen dem und dir Feindschaft herrschte, wird wie ein treuer Freund sein.“ (Koran: 41/34)
Als eine Konsequenz aus dem koranischen Gebot:
يَاأَيُّهَا الَّذِينَ آمَنُوا ادْخُلُوا فِي السِّلْمِ كَافَّةً
„Ihr, die ihr glaubt! Tretet allesamt ein in den Frieden“ (Koran: 2/208)
müssen die Muslime in der ganzen Welt lautstark ihre Parteinahme für den Frieden entschieden und unmissverständlich, überall und unablässig kundtun. Islam bedeutet: der friedliebende Gehorsam Allah gegenüber, friedliche Akzeptanz und friedliche Praxis des Glaubens im Namen Allahs. Muslim bedeutet: der „friedliebende Mensch“, der Mensch, der Frieden auf Erden verbreitet. Dies bekundet der Prophet Muhammed (s) am besten, indem er den Muslim folgendermaßen beschreibt:
المسلم من سلم الناس من لسانه ويده
„Der Muslim d.h. der friedliebende Mensch, ist verantwortlich dafür, dass die anderen friedliebenden Menschen vor seinen Händen und Worten sicher sind.“
Wir rufen die Politik dazu auf, – in transparenter Weise gemeinsame Wege mit den Moscheegemeinden zu finden, wie wir den Extremismus effektiv bekämpfen können. Der Generalverdacht, unter den wir oft gestellt werden, ist kontraproduktiv und hat die Situation immer weiter verschärft! Die Politik muss dringend differenzierter vorgehen und unterscheiden, von welcher Seite tatsächliche Gefahr ausgeht, diese entschieden bekämpfen – aber ebenso entschieden mit denjenigen zusammenarbeiten und sie engagiert unterstützen, die den Islam richtig interpretieren und dadurch sehr viel effektiver gegen Missbrauch vorgehen können. (…)!
Link zur vollständigen Deklaration 

Am "Tag der Offenen Moschee 2015" erklärt ein Mitglied des MFI den Besuchern das geplante Bauvorhaben
Am „Tag der Offenen Moschee 2015“ erklärt ein Mitglied des MFI den Besuchern das geplante Bauvorhaben, Foto: MFI

Inzwischen war ich selbst schon zweimal zu Besuch im Münchner Forum für Islam, das vorläufig seinen Sitz in den Räumlichkeiten der Münchner Altstadt-Moschee, in der Hotterstraße 16 hat. Erstmals war ich zum „Tag der Offenen Moschee“ dort, den die islamischen Religionsgemeinschaften in Deutschland seit 1997 jedes Jahr am 3. Oktober  veranstalten. Eine deutsche Muslima führte mich durch die Räumlichkeiten und im Anschluss setzen wir uns zu einem Gespräch zusammen, das ich als  sehr anregenden Austausch zwischen zwei Frauen auf spiritueller Suche empfand.

Das Freitagsgebet beginnt in der Sommerzeit um 13.30 Uhr und im Winter um 12.30 Uhr, Foto: MFI
Das Freitagsgebet beginnt in der Sommerzeit um 13.30 Uhr, im Winter um 12.30 Uhr, Foto: MFI

Letzte Woche nahm ich erstmals am Freitagsgebet teil. Die Rituale eines Gottesdienstes, egal welcher Glaubensrichtung, rein sachlich beschreiben zu wollen, halte ich für wenig Erfolg versprechend. Hinter den festgeschriebenen, sichtbaren Abläufen verbirgt sich die Symbolik eines tieferen Sinnes. Und den kann nur jeder für sich selbst nachempfinden, vorausgesetzt man spürt das Bedürfnis, sich auf ein solches spirituelles Erlebnis einzulassen. Kürzlich wurde ich gefragt, ob man als „Ungläubige(r)“ denn überhaupt eine Moschee betreten dürfe?

Imam Idriz beim Freitagsgebet
Imam Idriz beim Freitagsgebet, Foto: MFI

Auf meine Nachfrage hin, teilte mir Imam Idriz mit, in der Moschee in Penzberg und in der Altstadt-Moschee in München sei jeder zum Freitagsgebet willkommen. Natürlich könne er nur für diese beiden Orte sprechen. Die Freitags-Predigt wird grundsätzlich auf Deutsch gehalten, der Gottesdienst beginnt während der Sommerzeit um 13.30 Uhr und im Winter um 12.30 Uhr und dauert ca. eine Stunde …
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Hinzufügen möchte ich noch die Bildbeschreibung, die ich auf der FB-Seite des Münchner Forums für Islam gefunden habe: „Wer den Gebetsritus der Muslime kennt, weiß, dass das Gebet mit ‚Allahu-akbar‘ (Gott ist der Größte) beginnt und sich dieser Spruch in allen Phasen des Gebetes wiederholt, nur nicht am Ende des Gebetes. Der Betende endet sein Gebet nicht mit ‚Allahu-akbar‘, sondern mit ‚As-salamu aleiukm wa rahmetullah‘, ‚der Friede und die Gnade sei mit euch!‘ Er wendet seinen Kopf zur rechten und zur linken Seite und verkündet den Frieden an alle Menschen und sagt: ‚Gott, Du bist der Friede selbst. Von Dir kommt Friede, und zu Dir führt der Friede zurück‘. Mit diesem Ritus macht sich der Muslim bewusst: So wie ich während des Gebetes nicht Böses gesprochen, gedacht oder getan habe, bleibe ich bis zum kommenden Gebet, in meinem Umfeld, mit allen Menschen, die sich zu meiner rechten und zu meiner linken Seite befinden, friedlich!‘ … „

Ähnlich unserem evangelischen Friedensgruß nach dem Abendmahl, so habe ich den Abschluss des muslimischen Gebets empfunden. Bewundernswert finde ich die Disziplin, mit der die frommen Muslime ihren Glauben ausüben, der soviel mehr verlangt, mehr an Gebeten, mehr an Verzicht und Ritualen, als es die Ausübung meines Glaubens fordert. Besonders in der heutigen, so durchgetakteten Zeit!

Bei meinen Besuchen in der Hotterstraße musste ich immer wieder feststellen, wie tief verwurzelt Vorurteile und Klischees in mir steckten und weiterhin stecken, wie so oft, wenn man von Gegebenheiten nur ansatzweise Ahnung hat. Begegnet man ihnen dann tatsächlich, zeigen sie sich anders als erwartet. Beispiele: Die deutsche Muslima, mit der ich mich so angeregt unterhalten habe, war kein unterdrücktes Mauerblümchen sondern eine selbstbewusste Akademikerin  – doch ja, sie trug sehr wohl das Kopftuch, ebenso trägt es die eine ihrer Töchter – doch nein, die andere trägt es nicht … Nein, der Imam sah nicht streng, asketisch oder gar düster aus – ja, er wirkte lebensbejahend und in Zivil eher wie ein Dressman – und  ja, er gab mir tatsächlich die Hand, mir, einer Frau, obgleich ein anderer Imam doch gerade der CDU-Politikerin Julia Klöckner den Händedruck verweigert hatte, auf  Grund ihres Geschlechts  ..?

Foto: MFI
Foto: MFI

Klischees können sich in der Realität bestätigen und  zeitgleich durch sie zurecht gerückt werden! Ich glaube, unsere sogenannte „abendländische“ Gesellschaft sollte bereit sein, ein wenig genauer hinzuschauen und den interreligiösen Dialog zu suchen, wo immer möglich, statt sich in diffusen Ängsten zu verlieren. Die Osmanen stehen nicht vor Wien! Sicher, der Islamismus, der macht auch mir Angst, große Angst …

„Wir haben auch Angst“, erwiderte letzten Freitag der Imam  …

Das Münchner Forum für Islam - Vision und Chance für ALLE Münchnerinnen und Münchner
Das Münchner Forum für Islam – Vision und Chance für ALLE Münchnerinnen und Münchner, Foto: MFI

Der Seher Johannes schreibt: „Ich sah einen Engel fliegen mitten durch den Himmel, der hatte ein ewiges Evangelium zu verkündigen denen, die auf Erden wohnen, allen Nationen und Stämmen und Sprachen und Völkern.“
(Offenbarung des Johannes 14,6)


Ein Großteil des Bildmaterials für diesen Blog wurde mir bereits am Wochenende seitens des Münchner Forums für Islam zur Verfügung gestellt und weitere Fotos von Aida Dedovic, Vorsitzende der Flüchtlingshilfe Münchner Muslime. Beiden danke ich für das Entgegenkommen und Vertrauen.


Nachtrag im Mai 2021: Leider konnte die Vision eines großen Münchner Forums für Islam, mit genügend Raum sowohl für den wachsenden Zustrom an Gläubigen für das Freitagsgebet, als auch für interkulturelle und interreligiöse Begegnung, nicht realisiert werden. Grund: Das MFI lehnt auch weiterhin finanzielle Unterstützung aus den Arabischen Ländern ab und konnte daher die erforderlichen Geldmittel nicht aufbringen. Ich fürchte, hier bringt sich München um eine gesellschaftliche Chance, gerade angesichts des zunehmenden Antisemitismus und Rassismus sowie Islamismus und der Notwendigkeit einer nachhaltigen Integration von Migranten und Asylsuchenden aus islamischen Ländern.



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Veröffentlicht von Gaby dos Santos

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Ein Kommentar zu “„Kommt herbei zu einem gleichen Wort zwischen uns …“ Muslimisches Leben in München als gesellschaftliche Chance

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