„Arnie Schwarzenegger kommt auch …“ hatte letzte Woche bei der Pressekonferenz sinngemäß Wolfgang Ischinger, Vorsitzender der Münchner Sicherheitskonferenz, angekündigt. „Aha – und was will er da reden?“ fragte sich die Zuhörerschaft im Presseclub. „Hasta la vista, baby“ rief einer der anwesenden Journalisten, was mit allgemeinem Gelächter quittiert wurde. Makabre Fußnote eigentlich, angesichts der derzeit angespannten weltpolitischen Lage.
Entsprechend werden die „zentralen Themen der 51. Münchner Sicherheitskonferenz (…) der Zerfall der internationalen Ordnung, die Zukunft der europäischen Sicherheitsarchitektur angesichts der Ukraine-Krise, die dramatische Situation der Flüchtlinge in vielen Teilen der Welt und die sich verschärfende Lage im Nahen und Mittleren Osten sein …“ hieß es im Presse-Info.
„Vom 6. bis 8. Februar wird München zur Hochsicherheitszone: Über 400 hochkarätige Regierungsmitglieder, darunter 20 Präsidenten und Regierungschefs, 60 Verteidigungsminister ringen um den äußerst bedrohten Frieden. ‚Wenn man jemals eine Begründung für das Veranstalten der Sicherheitskonferenz hätte suchen müssen, in diesem Jahr braucht es keine Begründung. Diese Konferenz ist notweniger denn je!‘ so Ischinger (…)“, postete anschließend der Münchner Autor Dr. Werner Siegert.
Andere MitbürgerInnen verbinden mit dieser jährlichen Veranstaltung allerdings keineswegs friedensbildende Maßnahmen sondern eine Art „Klassentreffen der Mächtigen“. So postet heute Konstantin Wecker auf Facebook: „Liebe Freunde, auf der sogenannten Sicherheitskonferenz (SIKO) in München geht es – entgegen der Selbstdarstellung der Veranstalter – weder um Sicherheit noch um Frieden auf dem Globus.
Die SIKO ist eine Versammlung wirtschaftlicher, politischer und militärischer Machteliten vor allem aus den NATO- und EU-Staaten, die sich über Strategien zur Aufrechterhaltung ihrer globalen Vorherrschaft und über gemeinsame Militärinterventionen verständigen.
Vor allem aber ist die SIKO ein medienwirksames Propaganda-Forum zur Rechtfertigung der NATO, ihrer Milliarden-Rüstungsausgaben und ihrer auf Lügen aufgebauten völkerrechtswidrigen Kriegseinsätze, die der Bevölkerung als „humanitäre Interventionen“ verkauft werden.
Kommt zur Demonstration in München, am Samstag, 7. Februar 2015 um 13 Uhr, Marienplatz. Ich werde – als bekennender Pazifist – mit meinen Freunden Jo Barnikel, Werner Schneyder und Heinz Ratz von Strom &Wasser jedenfalls dabei sein und demonstrieren und ab 15 Uhr – so lang es uns die Kälte erlaubt -auch musizieren.
Soweit der heutige Post von Konstantin Wecker, der mich enttäuscht hat, gerade weil Konstantin Wecker für mich eine moralische Instanz darstellt, denn er ist seinen Überzeugungen stets treu geblieben, selbst dann noch, als die Bürgerproteste zeitweise „out“ und in einen allgemeinen Dornröschenschlaf gefallen waren, in den Jahren vor TTIP, Pegida, Monsanto & Co. Weckers Stimme blieb eine der wenigen in unserer Gesellschaft, die unverdrossen eine bessere Welt anmahnte und anmahnt, die Missstände anprangert und uns für den Moment eines Posts oder eines Songs aus dem Phlegma des alltäglichen Trottes reißt. Wer aber seine Stimme erhebt, wissend, dass sie vielfach Gehör finden wird, trägt meiner Meinung nach auch eine Verantwortung gegenüber der Öffentlichkeit: Zu sachlich differenzierter und fairer Argumentation. Diese habe ich im heutigen Post vermisst und erst recht im weiteren Verlauf des Beitrags, der sich auf der Startseite nachstehender Homepage befindet und aus dem Weckers Post zitiert:
http://sicherheitskonferenz.de/de/Aufruf-SiKo-Proteste-2015
Hier findet sich auch nachfolgendes Statement: „Wir erklären den selbsternannten „Weltherrschern“, die zur SIKO nach München kommen und den Regierungschefs beim G7-Gipfel im Juni 2015 in Elmau: Ihr seid hier und überall auf der Welt unerwünscht.“
Oh-Ha! Diese Stilistik der Schlagwörter gefällt mir nicht, da ich sie als unsachlich empfinde und somit als wenig hilfreich, gerade wenn es darum gehen soll, den aufgeführten und ja tatsächlich auch vorhandenen weltweiten Missständen etwas entgegen zu setzen. Abgesehen davon, dass besagte „selbsternannte ‚Weltherrscher‘ “ seinerzeit doch wohl von der Mehrheit ihrer Bürger gewählt worden sind?Im Übrigen werden auch VertreterInnen von Amnesty International und Green Peace sowie auch wieder VertreterInnen der Projektgruppe „Münchner Sicherheitskonferenz verändern“ e.V. an der Konferenz teilnehmen. Letztere Initiative verteilte im Vorfeld der Pressekonferenz ihre Projektzeitung, in der sie sich durchaus kritisch zur Sicherheitskonferenz äußert, aber:
http://friedenskonferenz.info/
In der Projektzeitung findet sich ein Beitrag von Ruth Aigner (auch Beobachterin bei der diesjährigen MSC), den ich für so informativ halte, dass ich ihn an dieser Stelle in großen Teilen wiedergeben möchte:
Es wurde ein bewegter Austausch über Grundasatz- und organisatorische Fragen sowie über aktuellste politische Herausforderungen. Auch die Konferenzbeobachter von 2014 brachten ihre kritischen Hinweise nachdrücklich ein. (…) als ein zentrales Anliegen der Gruppe bleibe: Um den unmenschlichen Kreislauf der Kriegs-Drohungs-Spirale zu entkommen, müssten Themen wie Abrüstung, das Verbot von Waffengebrauch, -produktion und -lieferungen und das Aufzeigen alternativer Konfliktbearbeitungsformen ein zentrales Thema auf jedem internationalen, sicherheitspolitischen Forum wie dem der MSK sein! Der Konferenzleiter stimmte der Aussage prinzipiell durchaus zu und kündigte an, dass in der OSZE-Expertengruppe gerade die Frage der Rüstungsreduzierung eine zentrale Rolle spielen solle. Auch eine Öffnung der MSK gegenüber Vertretern alternativer Sicherheitskonzepte solle schrittweise stattfinden, versprach Ischinger und nannte renommierte NGOs, die zur MSK 2015 eingeladen werden (z.B. Amnesty International, Human Rights Watch, Greenpeace …). Gleichzeitig aber erinnerte er auch deutlich an den Konferenzrahmen und das Kernthema der ‚militärischen Sicherheit‘, verbunden mit den spezifischen Erwartungen der Gäste. Als gute Möglichkeit über dieses Hauptthema und -publikum hinaus zu kommen sehe er die vielen Side-Events – z.B. auch das, welches MSKv und das forum ZFD zur Flüchtlingssituation im Libanon gestalten! Hoffen lässt jedenfalls sein Angebot, sich mit der Projektgruppe MSKv wieder zu einem intensiveren Dialog zu treffen, wenn die Agenda der OSZE-Expertengruppe ausgereifter sei (…)“
Den Inhalt dieses Beitrags finde ich spannend und auch vielversprechend. Leider habe ich bislang den Ansprechpartner dieser Projektgruppe noch nicht erreicht, werde das Thema aber weiter verfolgen.

Gesprächsbereitschaft auch gegenüber den Demonstranten äußerte Wolfgang Ischinger ebenfalls bei der Pressekonferenz letzte Woche. Ich finde, man sollte ihn unbedingt einmal beim Wort nehmen! Darüber hinaus begleitet ab sofort eine jährliche Broschüre, der Munich Security Report (MSR) die Konferenz. In dieser finden sich Berichte und Einschätzungen zu den jeweils aktuellen sicherheitspolitischen Fragen. Dieser Report ist auch als Download erhältlich.

Mit der schlichten Bekundung: „Ich bin Pazifist“ macht man es sich meiner Ansicht nach zu einfach in unserer komplexen Welt – und betreibt ein Stück weit selbstgerechtes „Gutmenschentum“ auf Kosten derer, die uns diese Pose, zum Teil unter Einsatz ihres Lebens, überhaupt ermöglichen; die Soldaten und Soldatinnen, von denen ich im Rahmen meiner „Lili-Marleen-Produktion“ eine ganze Reihe kennen gelernt habe und zwar nicht als tumbe Tötungsmaschinen, sondern als engagierte und durchaus nachdenkliche junge Männer und Frauen. Um einen Dialog zwischen uns ZivilistInnen/PazifistInnen und der Bundeswehr, im Rahmen meiner damaligen Veranstaltungsreihe zu eröffnen, lud ich auch den Bundeswehr-General Johann Berger zu einem Vortrag über „internationale Sicherheitspolitik“ ein. Leider fand sich aber kein einziger Gast ein, der seine anti-militärische Haltung als Gegengewicht in die Waagschale geworfen hätte! In einem späteren Gespräch führte eine Freundin dann das ebenso bekannte wie abgenutzte Motto an: „Stell Dir vor, es ist Krieg und keiner geht hin.“ Schön wäre das ja – und ich wäre auch gern Astronaut geworden 😉 , doch durchführbar wird es erst dann sein, wenn auch die letzten „Schwerter zu Pflugscharen“ geworden sind … Und bis dahin – so meine Meinung – sollte man nicht jede militärische Sicherheitsmassnahme gleich in Bausch und Bogen verteufeln, sondern von Fall zu Fall genau hinschauen, was, wann und wofür militärisch vorgegangen wird und dann Fall bezogen, wo nötig, die Stimme erheben. Aber bitte nicht das eigentliche Anliegen durch Worthülsen wider das gesammelte Unrecht der ganzen Welt verwässern!

Zurück zur Sicherheitskonferenz: Natürlich nutzen die Teilnehmer das Podium um sich dort im Sinne ihrer Anliegen zu profilieren. Das ist hier nicht anders als bei vielen salbungsvollen Reden im Verlauf von Preisverleihungen, Kulturempfängen und sonstiger Konferenzen. Dennoch lässt sich zwischen den Zeilen lesen, vorausgesetzt, man ist willens und zeitlich in der Lage (wieder dieses Zeitproblem!) sich die einzelnen Beiträge zu Gemüte zu führen. Im Anschluss ließen sich dann auch konkrete und damit wirkungsvolle Kundgebungen abhalten. Bei erster Durchsicht einiger auf der Homepage der MSC veröffentlichten Statements von Ursula von der Leyen und Nato-General Stoltenberg bin ich auf Punkte gestoßen, denen ich z. B. nicht zustimme. Wer sich ebenfalls selbst ein Bild machen möchte: Ein Blick auf die aufwändig gestaltete Homepage mit O-Tönen, Manuskripten einzelner Reden, Live-Streams und Hintergrund-Informationen lohnt in jedem Fall:
Unbestritten bleibt für mich, dass jeder Einsatz von Gewalt, auch wenn er aus humanitären Gründen noch so unvermeidbar ist, immer das schreckliche Zeichen menschlichen und diplomatischen Versagens darstellt. Mit diesem Zwiespalt müssen wir leider leben – noch. Und uns weiter schrittweise einen Weg in eine bessere Welt bahnen, jeder auf seine Weise, mit gegenseitiger Offenheit und Toleranz gegenüber anderweitigen Bemühungen. Wie wollen wir sonst den globalen Frieden erreichen, wenn wir schon an der Gesprächs- und Streitkultur scheitern.
Abschließen möchte ich meinen heutigen Beitrag mit einem Zitat des verstorbenen Vorstandmitglieds der Projektgruppe „Münchner Sicherheitskonferenz verändern“ e.V., Sepp Rottmayr, ebenfalls veröffentlicht in der aktuellen Projektzeitung. Es sind Worte, die mir in ihrer schlichten Wahrheit sehr nahe gehen, auch wenn ich bezweifle, dass sich die Sicherheitskonferenz in allzu naher Zeit den Begriff „Sicherheit“ durch den Begriff „Frieden“ wird ersetzen lassen wollen. Dazu fühlen sich noch zu viele Menschen zu un-sicher …
„Ein Rüstungsbasar ist sie (die MSC) sicher heute nicht mehr. Eine Konferenz für militärisch ausgerichtete Sicherheitspolitik, so wie man Sicherheit in der Politik heute noch weitgehend versteht, ist sie bestimmt. Eine Friedenskonferenz aber – das muss sie erst werden, da muss sie sich verändern. Das ist nicht leicht. Aber, und jetzt passt mein Schlusswort das nicht von mir stammt, sondern von Herman Hesse:
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